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Drachenlanze - Finstere Pläne

Drachenlanze - Finstere Pläne

Titel: Drachenlanze - Finstere Pläne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
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bevor er auf die arme Raupe
herunterschoß, um sie mit seinem hungrigen Schnabel zu
vertilgen, fiel Tolpan auf, was er da gerade vorhatte. Er
schüttelte sich und sträubte die Federn.
»Igitt! Selana, ich hätte fast eine Raupe gefressen!« jaulte er.
Als sie sein erschüttertes, braunschwarzes Gesicht sah,
sprach Selana wieder direkt in seinem Kopf. »Du handelst aus
Instinkt«, erklärte sie ihm. »Denk dran, du bist jetzt ein
Vogel.«
»Wie könnte ich das vergessen?« sagte er. Fliegen war viel
aufregender, als er sich je vorgestellt hatte, und er hatte sich in
seinem kurzen Leben schon viel vorgestellt. Immer wenn er in
der Vergangenheit darüber nachgedacht hatte, hatte er jedoch
seinen eigenen Körper gesehen, der mit den Armen flatterte.
Oder er sah sich in Gestalt eines majestätischen Raubvogels,
einer Eule zum Beispiel.
Plötzlich fühlte er sich schwerer und dicker. Der Wind hatte
sich nicht verändert, aber er warf ihn viel weniger herum. Seine
Flügel hatten enorme Kraft, und sein Blick war unglaublich
geschärft. Er sah eine Maus zwischen ein paar Fässern in einer
Gasse herumhuschen und beobachtete, wie das kleine Nagetier
seinen Geschäften nachging, ohne zu merken, daß es belauert
wurde.
Ein Schrei in seinem Kopf ließ Tolpan herumfahren. Beim
Aufblicken sah er Selana herbeisausen.
»Tolpan! Sei nicht albern und konzentrier dich auf Spatzen!«
Plötzlich verstand Tolpan, warum er sich anders fühlte. Er
war zur Eule geworden. Er schlug zweimal mit seinen
ausgebreiteten Schwingen und schoß vorwärts, um dann auf
einer Säule Warmluft aufwärts zu kreisen. Die Kraft und
Geschmeidigkeit dieses Körpers waren berauschend. »Laß
mich so bleiben, Selana, nur bis wir im Schloß sind.« Tolpans
Stimme bettelte in Selanas Kopf.
»Dann bemerkt man uns auf jeden Fall«, erwiderte sie
zornig. »Sperling!«
Widerstrebend konzentrierte sich Tolpan wieder auf die
kleinere Vogelgestalt. Sofort fühlte er sich wieder leichter.
»So ist es gut«, hörte er Selana sagen. »Schau nach unten,
dann siehst du, daß wir schon den Fluß überquert haben.« Und
wenig später waren sie über die Befestigungsmauern mit den
Steinsoldaten hinweg.
»Ich habe uns so weit gebracht, wie mein Wissen vermag«,
sagte Selana. »Was machen wir jetzt?«
Tolpan hatte bereits ein Gebäude mit der Aufschrift
»Kerker« entdeckt. Er vermutete, daß der Magier Flint und
Tanis dorthin gebracht hatte, weil es sicherer war. Dennoch
konnte es nie schaden, sich umzusehen und die Burganlage zu
untersuchen. »Los, komm«, sagte er und winkte Selana neben
sich herunter, als er knapp über das Zinnendach eines
Wachturms fegte, der im hinteren Teil des Hofes stand, damit
man das Kommen und Gehen in der Burg verfolgen konnte.
Tolpan ließ sich neben ein paar anderen Vögeln nieder –
größtenteils weitere Spatzen mit ein paar fetten Tauben
dazwischen, die allesamt instinktiv argwöhnisch zur Seite
rückten. Die warme Sonne auf seinen Federn tat ihm gut, und
Tolpans Augen klappten lethargisch zu.
»Schlaf hier bloß nicht in der Sonne ein«, warnte ihn seine
Begleiterin mit ihrer inneren Stimme. Sie pickte ihn leicht mit
dem Schnabel an.
»Aua!« Tolpans dunkle Perlenaugen flogen auf. »Hab’ ich
doch gar nicht gemacht! Ich hab’ nur geblinzelt, um in dieser
Helligkeit besser sehen zu können.« Er plusterte sein Gefieder
auf und rutschte eine Vogelbreite beiseite.
»Nicht schlimm«, antwortete Selana. »Wo müssen wir jetzt
hin?«
»Siehst du das Gebäude, wo >Kerker< dran steht?« fragte er.
Es stieß an die Außenmauer an und war mit der Burg über
einen Kreuzgang verbunden, einem an den Seiten offenen,
überdachten Weg. »Wenn wir Glück haben, hat man sie
dorthin gebracht. Wenn nicht, sind sie immer noch tief unter
der Erde, wo wir viel schwieriger rein und wieder raus
kommen.« Tolpan suchte das Verlies nach vogelgroßen
Eingängen ab. »Laß uns mal zu dem hohen Fenster an der
Rückwand fliegen. Von da aus kommen wir rein.«
Sekunden später hatten sie den Platz überquert und hockten
auf dem Fenstersims. Tolpan spähte ins Dunkle und war
überrascht, wie schnell sich seine Augen an das Dämmerlicht
anpaßten. Der Raum war offenbar eine Zelle. Eine schwere,
metallbeschlagene Holztür verschloß den Eingang. Das
Fenster, wo sie saßen, war zu schmal, als daß ein Mensch
hindurchgepaßt hätte, und wäre selbst für Tolpan in seiner
normalen Größe eng gewesen.
»Hier ist niemand«, dachte Selana. »Wie viele Räume wie
der

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