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Drachenlanze - Finstere Pläne

Drachenlanze - Finstere Pläne

Titel: Drachenlanze - Finstere Pläne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
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vorstellen. Wenn du dich zu
sehr bemühst, klappt es nicht.«
Tolpan sah staunend zu, wie zarte, glitzernde, gelbe Fäden
Selana umschwirrten. Eine Sekunde später war die Meerelfin
verschwunden, und an ihrer Stelle flatterte ein kleiner Vogel
mit ungewöhnlich großen Augen herum.
»Selana?« fragte Tolpan mit seinem breitesten Grinsen. »Das
war wirklich sauber! Ich – «
Der kleine Vogel landete auf Tolpans Schulter und zirpte
ungeduldig.
»Ja, verstanden, ich beeil’ mich schon«, sagte der Kender.
Während er die Augen fest zumachte, um sich zu
konzentrieren, versuchte er, sich vorzustellen, wie seine Arme
sich mit Federn bedeckten und an seinen Seiten flatterten. Als
er ein Auge aufschlug, schnappte er angesichts der
graugefleckten Flügel, die dort waren, wo seine Arme sein
müßten, nach Luft. Als er an sich herunterblickte, sah er

Füße! Er war kein Vogel, er war nur ein Kender mit Flügeln!
Etwas piepste und flatterte wild um seinen Kopf. Ohne darauf
zu achten, ob vielleicht jemand zusah, schloß Tolpan wieder
die Augen. Er rief sich Selanas Hinweis ins Gedächtnis, atmete
tief durch und stellte sich einen Sperling vor.
Nachdem er ganz in diesem Vorhaben versunken war, fiel
Tolpan plötzlich auf, daß die Welt größer klang und voller
Echos war, daß seine Nase sich mit Gerüchen füllte, die er
vorher nie bemerkt hatte
– Steine und Erde und Pollen,
vermischt mit summenden Insekten und donnernden Schritten.
Ein plötzlicher, kräftiger Wind erfaßte ihn und warf ihn um.
Überrascht schlug er die Augen auf. Die Welt hatte alle Farben
verloren, war nur noch schwarz und weiß.
»He, Selana!« wollte er sagen, doch es kam nur Zirpen und
Piepsen aus seinem Mund. Während er über den Plattenweg
flatterte, warf er einen Blick auf seine Nase und erkannte den
Grund: Er hatte einen Schnabel! Er streckte die Arme aus und
fühlte, wie die Federn den Wind einfingen. Das ist noch besser
als Teleportieren, dachte er.
Tolpan breitete die Flügel aus und düste nach oben. Er neigte
einen Flügel und fegte über die kleine Veranda, verschätzte
sich mit der Entfernung und streifte mit der Flügelspitze an der
Ziegelmauer entlang. Während er ins Freie steuerte, um sich zu
fangen, lernte er eifrig, seinen neuen Körper zu beherrschen,
indem er dessen Besonderheiten ausprobierte. Als er gerade
fand, jetzt hätte er alles begriffen, fegte der Wind um eine
Hauswand und wirbelte ihn wie ein Blatt herum.
»Tolpan, kämpf nicht gegen die Strömung«, sagte eine
Stimme, die sich entfernt nach Selana anhörte, aber einen
komischen Akzent hatte. Tolpan suchte herum, bis er die in
einen Sperling verwandelte Meerelf in entdeckt hatte, die
mehrere Dutzend Schritt entfernt kreiste. Ihre Stimme hatte
sich allerdings viel näher angehört, überlegte er.
»Ja, du hörst wirklich mich«, sagte der kleine Vogel, dessen
Federkrönchen wippte, »aber ich rede nicht richtig. Ich habe
einen Zauber benutzt, der es uns gestattet, miteinander zu
>denken<, sonst könnten wir uns gar nicht verständigen. Falls
Vögel sich unterhalten, weiß ich nicht wie, und wir haben
keine Zeit, das herauszufinden. Wir haben auch keine Zeit zum
Spielen«, fuhr ihre leise Stimme in Tolpans Kopf fort. »Nutze
die Strömungen
– laß dich von ihnen tragen. Es ist ganz
ähnlich wie Schwimmen.«
Tolpan fand diesen Vergleich wenig hilfreich, denn in seinen
achtzehn Jahren war er fast so wenig geschwommen wie
geflogen. Dennoch befolgte er den Rat und stellte fest, daß die
Luftströmungen ihm weniger Probleme bereiteten.
Selana ließ ihn noch ein paar Minuten lang ausprobieren,
bevor sie fragte: »Fühlst du dich schon sicher genug, um zur
Burg aufzubrechen? Wir müssen uns wirklich beeilen.«
Tolpan nickte eifrig mit dem gefiederten Kopf. Während sie
Tolpan mit einem Flügelschlag aufforderte, ihr zu folgen,
schoß Selana in den Himmel hoch über den einfachen Straßen
von Tantallon. Dicht hinter ihr flatterte Tolpan, der sich doch
sehr wie ein Jungvogel auf seinem ersten Ausflug aus dem
Nest vorkam.
Ah, die Welt sah durch Vogelaugen ganz anders aus, sagte
sich Tolpan. Er sah alles in lebhaften Grautönen – viel mehr
Grautöne, als er sich je vorgestellt hätte. Sein Blick war so
scharf, daß er sogar Käfer auf den Blättern tief unter sich
erkennen konnte. Besonders eine Raupe stach ihm ins Auge,
weil sie so fett und saftig aussah, und Tolpan merkte, wie er
kreisend zurückflog und sich den Leckerbissen schon
vorstellte. Nur Sekunden,

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