Drachenlanze - Finstere Pläne
hier werden wohl noch da sein?«
»Wahrscheinlich zwei oder drei«, erwiderte Tolpan und legte
den Kopf schief. Ein dicker Käfer krabbelte die Steine am
Rand des Fensters hoch und hielt auf eine kleine Ritze im
Mörtel zu. Tolpan sah ihn sich genau an, was den Käfer
offensichtlich erschreckte, denn er rannte schneller auf die
sichere Ritze zu.
Tolpan breitete die Flügel aus. »Wir bleiben am besten in
Bewegung.«
»Warte!«
Selanas Warnung erwischte Tolpan mitten im Abflug. Als er
versuchte, anzuhalten, wurde er statt dessen schneller und
taumelte vom Sims ins Gefängnis hinein. Nach vergeblichem
Geflatter landete er sanft auf einem schimmligen Strohhaufen
auf dem Boden.
»Schnell!« schrie Selana, »das mußt du sehen!«
Immer noch mit Stroh in den Federn und ziemlich verärgert,
huschte Tolpan auf den Sims zurück. »Was ist los?«
Selanas Stimme bebte immer noch vor Aufregung, obwohl
sie direkt in Tolpans Kopf erklang. »Da unten in den Gängen
zum Hauptturm. Der kahlköpfige Mann in Rot. Das ist der
Zauberer! Und siehst du, was er am Handgelenk hat?«
Tolpans scharfe Augen fanden den Mann sofort. Er hatte
eine warme Jacke über seine Robe gezogen.
»Wahrscheinlich hat er gerade Flint und Tanis ins Gefängnis
gesteckt«, murmelte Tolpan. Der Blick des Kender-Vogels
wanderte zum Arm des Mannes. Der mitschwingende Ärmel
rutschte zurück und enthüllte ein kupfernes Band.
»Du hast recht! Das ist wirklich das Armband!« schrie
Tolpan. Selbst auf die Entfernung war er ganz sicher, daß es
das Schmuckstück war, das Flint für die Meerelfin gemacht
hatte. Er konnte jede Rille und jeden Stein daran erkennen.
»Wir fliegen rüber und holen es uns!«
»Wie?«
Tolpan dachte nur eine Sekunde nach. »Wir verwandeln uns
in Bären und beißen ihm die Hand ab!«
Selana schüttelte sich. »Das ist abscheulich. Und gefährlich.
Wir werden zwar wie Bären aussehen, aber wir haben trotzdem
nur die Kraft einer Meerelfin und eines Kenders, und wir
wären gezwungen, mit vielen Wachen zu kämpfen; ganz zu
schweigen von dem Zauberer selbst.« Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, wir müssen ihm folgen und einen anderen Weg finden,
wie wir ihm das Armband abnehmen können, an einem
einsameren Ort vielleicht.« Selana hatte keine Ahnung, wo der
sein mochte oder wie sie das machen sollten, besonders da die
Wirkung des Tranks jederzeit nachlassen konnte.
»Wir können in der Burg nicht einfach weiter
herumfliegen«, wandte Tolpan ein. »Dann würde man
versuchen, uns zu fangen oder uns rauszuscheuchen.« Er warf
einen Blick auf den Magier dort unten, der bald verschwunden
sein würde. »Wir sollten uns lieber schnell etwas ausdenken.«
»Mach dasselbe wie ich«, wies ihn Selana schnell an. »Und
daß du mir nicht einmal daran denkst, mich zu fressen.« Mit
einem winzigen lila Funkenschauer verwandelte sich der Spatz
in eine Fliege.
»Auf die Idee wäre ich nie gekommen!« rief Tolpan aus.
Könnte interessant sein, sagte er sich. Der Kender-Vogel
schloß fest die Augen und konzentrierte sich. Funken stoben,
und plötzlich kam er sich wirklich sehr klein vor. Als er die
Augen wieder aufschlug, wurde ihm schwindelig, denn er sah
Dutzende von Bildern vor sich. Wenn ihn nicht sechs Beine
gehalten hätten, wäre er vielleicht getaumelt. Er brauchte eine
Weile, bis er sich an diese neue Sehweise gewöhnt hatte. Das
erste, was er klar sehen konnte, war Selana, die in die Richtung
davonsummte, die der Magier eingeschlagen hatte. Der Wind
warf ihn herum, als er sich in die Luft erhob.
»Langsam, Selana«, beschwerte sich Tolpan, der Mühe
hatte, sie nicht aus den Augen zu verlieren. »Ich kann kaum
sehen, wo ich hinfliege, und auf jeden Fall sehe ich nicht sehr
weit.«
»Mit dem Sichtproblem habe ich nicht gerechnet«, gab
Selana zu. »Wahrscheinlich müssen wir uns daran gewöhnen.
In der Zwischenzeit versuchst du, bei mir zu bleiben. Und was
du auch machst, denk jetzt bloß nicht daran, etwas anderes zu
sein.«
»Na gut, aber wenn wir ihn nicht bald einholen, verlieren wir
ihn in der Burg.«
Das dicke, zentrale Steingebäude, das für Tolpan nichts als
ein dunkler Fleck im Hintergrund war, wurde immerhin ständig
größer. Plötzlich löste sich der unscharfe, graue Umriß in
Steine auf. »Wir sind zu weit links«, schrie Selana. »Die Tür
zum Kreuzgang ist da drüben, rechts von uns.« Die beiden
Fliegen bogen scharf nach rechts ab und flogen an der Mauer
entlang, die sie in Sichtweite behielten.
Tolpan bekam heraus, daß er,
Weitere Kostenlose Bücher