Drachenlanze - Ungleiche Freunde
wollte.
Laurana fuhr unbekümmert fort: »Mein Vater muß mir
zuhören.« Tanis wurde klar, daß sie im Augenblick trotz ihrer
äußerlichen Gelassenheit der Panik nahe war.
Ich sollte ihr den Ring zurückgeben, dachte er. Doch er
wußte irgendwie, daß ihr das jetzt das Herz brechen würde,
darum sagte er bloß: »Bestimmt hast du recht. Die Stimme
muß zuhören.«
Die Lüge quälte ihn, aber er konnte nichts anderes sagen.
Auf jeden Fall schienen die Worte Lauranas Qualen zu lindern,
denn sie begann, von anderen Dingen zu reden, während sie
durch den Garten spazierten. Man konnte zwar wenig von den
Gärten sehen, doch die beiden atmeten den schweren Duft der
Rosen ein.
Als sie am Ende des Weges waren, der am nächsten am
Palast lag, zögerte Laurana. »Vielleicht sollten wir getrennt
hineingehen«, sagte sie.
Tanis war einverstanden. Es war nicht die rechte Zeit, um
dabei erwischt zu werden, wie sie gemeinsam in den Palast
schlichen.
»Bis bald, Liebster«, flüsterte sie ihm zu, stellte sich auf die
Zehenspitzen und küßte ihn auf die Wange. Dann huschte sie
davon und ließ Tanis benommen allein zurück.
»Lange hast du nicht gebraucht, was?« sagte eine scharfe
Stimme, und Tanis fuhr herum. Erschrocken holte er Luft.
Neben einem Birnbaum stand Porthios, so aufrecht, daß er
selbst wie ein Baum aussah. »Sie ist erst ein paar Stunden
verlobt, und schon triffst du dich heimlich im Dunkeln mit
ihr.«
Der junge Elfenlord sah ihn mißtrauisch an, als Tanis
entsetzt die Augen aufriß. Was hatte Porthios gesehen?
»Es ist nicht so, wie du denkst«, fing Tanis hastig an, doch
Porthios bedachte ihn nur mit einem finsteren Blick.
»Ist es nie, oder, Tanis?« sagte er. Er setzte sich in
Bewegung, als wolle er gehen, blieb dann aber stehen und
fixierte den Halbelfen. »Warum machst du das, Tanis? Kannst
du nicht wenigstens einmal versuchen, dich wie ein richtiger
Elf zu benehmen? Mußt du immer anders sein?«
Als Tanis die Antwort schuldig blieb, schritt Porthios durch
die Dämmerung davon.
Miral wußte, daß er von der Aufregung des Tages Alpträume
bekommen würde. Er kämpfte gegen die Dämonen seiner
Träume. Als er in seinem dämmrigen Zimmer zwischen seinen
Zauberutensilien am Tisch saß, zwang er seine schwachen
Augen, in eine Kerzenflamme zu starren, bis ihm die Tränen
kamen.
Doch am Ende erwiesen sich seine Anstrengungen als
nutzlos. Irgendwann mußte er seinen schmerzenden Blick von
dem Kerzenlicht abwenden und die Augen zumachen, und in
dem Moment, wo er die Lider schloß, übermannte ihn der
Schlaf. Sein Kopf fiel nach vorn auf die gekreuzten Arme.
Er war wieder in der Höhle. Wie immer in seinen Träumen
war er wieder ein Kind. Licht wie von zehntausend Fackeln
drang in seine jungen Augen, und er schrie, bis er heiser war.
Das Licht pulsierte, drang in ihn ein, bis er zu zittern begann.
Er fürchtete das Licht.
Doch er fürchtete auch die Finsternis. Denn am Rande des
Lichts warteten die bösen Wesen aller Kinderträume – Drachen
und Oger und Trolle; und alle warteten hungrig und gemein
und geduldig darauf, ihn zu kriegen. Das Kind Miral starrte
zwischen Licht und Dunkelheit hin und her und versuchte zu
wählen, doch es war klein und verängstigt.
Dann umgab ihn Wärme. Er hörte ein einfaches Kinderlied,
das auf einer Laute erklang. Das Parfüm seiner Mama –
zerdrückte Rosenknospen – stieg ihm in die Nase, und er
wußte, daß sie bald da sein würde, um ihm Abendbrot zu geben
und ihn mit einer Gute-Nacht-Geschichte ins Bett zu stecken.
Dazu waren Mamas schließlich da. Er wartete gespannt.
Doch sie kam nicht, und er wurde ungeduldig. Dann erfüllte
ihn die Angst, daß sie womöglich niemals kommen würde.
Er hörte Schritte. Instinktiv wußte er, daß das nicht nur nicht
die Schritte seiner Mama waren, sondern die von jemandem,
von dem ihn seine Mama fernhalten würde.
Er fing an zu weinen und ballte die winzigen Hände zu
Fäustchen.
Auch die Hände des schlafenden Zauberers ballten sich
immer wieder zu Fäusten, während seine Angst zunahm.
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