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Drachenlied

Drachenlied

Titel: Drachenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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einen Blick auf das Gelege, das von der warmen Sonne angestrahlt wurde, und griff nach dem ersten Vorsprung.
    Sofort stieß die Feuerechse auf sie herunter.
    »Ach, lass mich zufrieden! Autsch! Los, verschwinde - schsch!« Die Klauen der Echse zerkratzten ihr die Wange.
    »Bitte! Ich lasse dir ja deine Eier.«
    Die Königin holte Schwung zum nächsten Angriff und Menolly verkroch sich unter dem Felshang.
    Blut tropfte aus dem langen Kratzer und Menolly tupfte es mit dem Saum ihres Kittels ab.

    »Hast du denn gar keinen Verstand?«, fragte sie ihre unsichtbare Feindin. »Was könnte ich schon mit deinen blöden Eiern anfangen? Behalte sie! Ich will nur heim. Begreifst du das nicht? Heim will ich!«
    Vielleicht vergisst sie mich, wenn ich hier ganz still sitzen bleibe, dachte Menolly und zog die Knie bis ans Kinn, aber ihre Zehen und Ellbogen schauten unter der Felskante hervor.
    Plötzlich kreiste eine Bronzeechse über dem Gelege und stieß ängstliche Rufe aus. Menolly sah, dass die Königin an die Seite ihres Gefährten schoss. Offenbar hatte sie auf dem Felsensims gelauert, bis Menolly aus ihrer Deckung kam.
    Und für euch beide habe ich so ein schönes Lied gemacht, dachte Menolly, während sie die beiden Echsen beobachtete. Mein allerletztes Lied war euch gewidmet! Ihr seid ein undankbares Pack, nur damit ihr es wisst!
    Trotz ihrer Bedrängnis musste Menolly lachen. Die Situation war einfach unmöglich. Ein Geschöpf, nicht größer als ihr Unterarm, hielt sie in einem Felsversteck fest!
    Bei ihrem Lachen verschwanden die beiden Feuerechsen.
    Hatten sie etwa Angst? Vor Gelächter?
    »Ein Lächeln bringt dich meist weiter als eine finstere Miene«, pflegte Mavi zu sagen.
    Wenn ich lache, merken sie dann vielleicht, dass ich ihnen nichts Böses will? Oder bleiben sie mir dann wenigstens so lange fern, bis ich die Böschung erklommen habe? Gerettet durch ein Lachen?
    Menolly schüttelte besorgt den Kopf. Sie sah, dass die Flut jetzt ziemlich rasch hereinkam. Vorsichtig kroch sie aus ihrem Versteck, schlang den Ledersack über die Schulter und begann, den Fels zu erklettern. Sie versuchte zu lachen, aber sie merkte, dass sie ihre ganze Konzentration für das Klettern brauchte.

    Unvermittelt umkreiste die kleine Königin ihren Kopf. Und sie hatte ihren Gefährten zur Verstärkung mitgebracht.
    Wieder verkroch sich Menolly unter dem Felshang und überlegte.
    Wenn Lachen die Tiere aufgescheucht hatte - wie stand es dann mit Gesang? Vielleicht ließen die beiden sie laufen, wenn sie ihnen ein paar Takte des neuen Liedes vorsummte. Ihre Stimme klang rau und unsicher, denn seit ihrem Unfall hatte sie keine Silbe mehr gesungen. Aber sie hoffte, dass den Echsen die übermütige kleine Melodie gefallen würde.
    Vorsichtig schob sie den Kopf aus ihrem Versteck - und schaute für Sekundenbruchteile in zwei Feuerechsen-Gesichter. Dann war der Felsensims leer. Sie glaubte, Neugier in den Blicken der beiden Geschöpfe gelesen zu haben.
    »Was ist - könnt ihr mich hören? Ich mache euch einen Vorschlag. Ihr wartet, bis ich diese verflixte Böschung erklommen habe, und zum Dank singe ich euch Serenaden vor.«
    Sie tauchte aus ihrem Versteck auf und sang dazu eine Drachenballade. Fünf Schritte hatte sie geschafft, dann erschien die Echsenkönigin mit ihrem ganzen Schwarm und scheuchte sie zurück. Menolly hörte, wie über ihr auf dem Sims scharfe Klauen in den Stein kratzten. Ihr Publikum wuchs ständig. Jetzt - wo sie keines brauchte!
    Vorsichtig hob sie den Kopf, sah zehn Augenpaare, die zu kreisen schienen.
    »Ein Geschäft, meine Freunde! Ein langes, langes Lied und dann gebt ihr die Klippe frei, ja?«
    Echsenaugen kreisten.
    Menolly nahm das als Einverständnis und sang. Bei der letzten Strophe wagte sie sich ins Freie. Eine Königin und neun Bronzeechsen schienen gebannt von ihrem Gesang.
    »Kann ich jetzt gehen?«, fragte sie und legte eine Hand auf den Sims.

    Die Königin stieß auf ihre Finger herunter und Menolly zog sie rasch zurück.
    »Ich dachte, wir hätten ein Geschäft vereinbart.«
    Die Königin zirpte mitleiderregend, und Menolly merkte erst jetzt, dass ihre Gebärden keinerlei Drohung enthielten. Die goldene Echse wollte lediglich verhindern, dass sie die Böschung erklomm.
    »Du möchtest mich nicht fortlassen?«, fragte Menolly.
    Die Augen der Königin schienen heller zu leuchten.
    »Aber ich muss fort. Wenn ich bleibe, kommt die Flut, und ich ertrinke.« Menolly begleitete ihre Worte mit erklärenden

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