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Drachenlied

Drachenlied

Titel: Drachenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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und der Instinkt führte sie zur Klippe, ehe sie sich bewusst an den Felsvorsprung erinnerte. Ob sie ins Meer tauchen sollte? Fäden ertranken im Wasser. Aber auch sie würde ertrinken, wenn sie den Vorbeizug der Sporen unter Wasser abwartete! Wie lange mochte es dauern, bis die Fäden die Küste erreichten? Sie hatte keine Ahnung.
    Sie stand jetzt am Hügelkamm und schaute hinunter auf den Strand. Sie konnte den Vorsprung ein Stück zur Rechten sehen. Da war auch die Kante, die unter ihrem Gewicht nachgegeben hatte. So kam sie natürlich am schnellsten in die Tiefe, aber sie wollte das Risiko kein zweites Mal eingehen.
    Sie spähte über die Schulter. Das Grau breitete sich am Horizont aus. Nun konnte sie Blitze erkennen, welche die düstere Wand durchzuckten. Blitze? Drachen! Sie sah Drachen im Kampf gegen die Fäden! Ihr Feueratem versengte das gefürchtete Zeug mitten in der Luft. Aber sie waren so weit entfernt, dass sie eher an verirrte Sterne als an Drachen erinnerten.
    Vielleicht kam die Sporenfront gar nicht bis hierher? Vielleicht
befand sie sich in Sicherheit. »Verlass dich nie auf ein Vielleicht!«, pflegte Mavi zu sagen.
    In die Stille drang unvermittelt ein seltsamer Laut: ein leises, rhythmisches Summen, das aus dem Boden zu dringen schien.
    Sie legte sich flach hin und presste ein Ohr gegen den blanken Fels. Der Laut kam in der Tat aus dem Erdinnern.
    Natürlich! Der Hügel war ausgehöhlt... deshalb hatte auch die Echsenkönigin...
    Auf Händen und Knien kroch Menolly an den Klippenrand und erspähte in halber Höhe den Felsensims mit dem Höhleneingang.
    Sie hatte dieses Loch schon einmal vergrößert. Vielleicht ließ es sich so erweitern, dass sie ins Innere der Höhle gelangen konnte. Sicher nahm die kleine Königin sie gastfreundlich auf; sie hatte ihr immerhin das Gelege gerettet.
    Menolly schlang den mit Spinnenklauen gefüllten Beutel über die Schulter, umklammerte mit beiden Händen ein paar Grasbüschel, die fest genug verwurzelt schienen, und ließ sich mit den Beinen voraus langsam in die Tiefe. Ihre Zehen tasteten nach einer Stütze im Fels; einmal rutschte sie ab, aber sie fing sich wieder. Sie presste das Gesicht gegen den kühlen Stein und atmete tief durch. Auch hier vernahm sie das dumpfe Summen und irgendwie verlieh es ihr Kraft und Mut. Der Laut hatte etwas Erregendes an sich.
    Es war reiner Zufall, dass sie schließlich auf dem Felsensims unterhalb des Höhleneingangs landete. Während der Kletterpartie hatte sie nämlich kaum nach unten geschaut - aus Angst, der Anblick könnte sie schwindlig machen. Nun zitterte sie so sehr, dass sie eine Weile rasten musste.
    Das Summen drang eindeutig aus der Höhle der Königin. Der Eingang war breit genug, dass sie den Kopf durchbrachte, aber nicht die Schultern. Sie buddelte mit den Händen an
den Rändern, bis ihr das Gürtelmesser einfiel. Damit lockerte sie einen großen Brocken; Geröll rieselte auf sie herab. Sie spuckte Sand und rieb sich den Staub aus den Augen. Als sie jedoch weitermachen wollte, erkannte sie, dass ihr jetzt blanker Fels den Weg versperrte.
    Egal wie sie sich drehte und schlängelte, sie brachte die Schultern nicht durch das Loch. Entschlossen kratzte Menolly mit ihrem Messer weiter, aber die Klinge glitt an dem harten Gestein wirkungslos ab.
    Wie viel Zeit blieb ihr noch, bis zur Bucht abzusteigen, ehe die Fäden auf ihren ungeschützten Körper niederregneten?
    Körper? Auch wenn sie mit den Schultern nicht an diesem Felsknubbel vorbeikam...
    Sie drehte sich vorsichtig um. Füße, Beine, Hüften - bis hin zu den Schultern verschwand sie in dem Tunnel. Ihr Kopf wurde, wenn auch nur notdürftig, von den überhängenden Felsen geschützt.
    Konnten Sporen erkennen, wohin sie fielen? Stürzten sie sich gezielt auf Menschen? In diesem Moment erspähte Menolly die Schlaufe ihres Lederbeutels, den sie auf dem Sims vergessen hatte.
    Sie zog sich weit aus dem Loch und spähte zum Himmel. Von den Silberfäden war nichts zu sehen. Nur das Summen in der Tiefe der Felsenhöhle verstärkte sich. Das hatte doch nichts mit dem Sporeneinfall zu tun, oder?
    Der Beutel hatte sich in dem Gestein verheddert, und sie ruckte heftig an der Schlaufe, um ihn freizubekommen. Im nächsten Moment brach der Felsensims unter ihren Hüften, sie schlug mit dem Hinterkopf gegen die obere Höhlenkante - und rutschte ins Berginnere.
    Sie landete in einer weiten, tiefen Höhle, umklammerte den Beutel mit den Spinnenklauen und schaute sich

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