Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
Mutter zu alledem sagen würde. Außerdem war es auch eine Angelegenheit des Herzens.
Sie hielt ihn am Ärmel fest. Er zog den Arm weg. »Linden, bitte. Vergebt mir. Ich kann es nicht ertragen, Euch zu verlieren.«
Die Götter konnten es bezeugen; es war die Wahrheit. Sie hatte noch nie ihr Herz verloren. Wie hatte er sie soweit bringen können? Sie fuhr fort, die Worte sprudelten aus ihr heraus wie Wasser aus einer Gebirgsquelle: »Ich werde dem Mädchen eine Entschädigung zukommen lassen – soviel wie einem Mitglied der Königsfamilie! Ich – ich werde mich sogar bei ihr entschuldigen. Sagt einfach, daß Ihr mir …«
»Nein, Sherrine. Es ist aus zwischen uns, ein für allemal. Ich wiederhole meine Fehler nicht.«
Die kalte Endgültigkeit seiner Worte traf sie wie eine Ohrfeige. Sherrine spürte, wie alles Blut aus ihrem Gesicht wich. Ihr Herz war ein Eisklumpen in ihrer Brust. So – er würde sie also tatsächlich für dieses hinterhältige Miststück fallenlassen! Für eine gemeine Hafendirne! Wie konnte er nur!
Sie starrte ihn fassungslos an. Dir Zorn ließ die Worte auf ihrer Zunge ersterben. Sie drehte sich um und stürmte aus dem Raum, von eisiger Wut umhüllt wie von einem Umhang.
Der Spion hatte beunruhigende Nachrichten.
Kas Althume saß am Schreibtisch im Arbeitszimmer von Prinz Peridaens Stadtresidenz und spielte seine Rolle als Großhofmeister. Er nickte dem vor ihm sitzenden Mann zu, einem Mann, der zwar nicht reich, aber dennoch gut gekleidet war, einem Mann, der sich, ohne Verdacht zu erregen, in den verschiedenen Kreisen von Casnas Gesellschaft bewegte. »Sprich weiter«, sagte der Magier.
»Wie gesagt, Eure Lordschaft, ein Bekannter von mir war gestern abend in der Eskorte der jungen Dame. Sie suchten das Haus eines Kaufmanns auf, um ein Mädchen herauszurufen, das dem großen Drachenlord schöne Augen machte. Lady Sherrine peitschte das Mädchen quer übers Gesicht. Narin meinte, sie habe das Mädchen vielleicht geblendet. Das ist es, was ihn so aufregte, versteht Ihr. Es ist eine Sache, das Mädchen zu schlagen, aber ihr das Augenlicht zu nehmen, ist etwas anderes, und alles bloß, weil der Drachenlord ein Schürzenjäger ist. Narin fand das nicht gerecht.«
Der Spion verstummte einen Augenblick und betrachtete den Nähkorb, als wäre er überrascht, einen solchen Gegenstand auf dem Schreibtisch des Großhofmeisters zu entdecken. Er fuhr fort: »Wie auch immer, just in dem Moment kam Linden Rathan auf den Hof geritten. Narin meinte, er hätte noch nie jemanden so wütend gesehen. Nicht daß der Drachenlord herumgeschrien hätte oder dergleichen. Er behandelte Lady Sherrine mit eisiger Herablassung und sah aus wie der Herr der Stürme. Er befahl ihr, ihn am nächsten Morgen zur vierten Stunde nach Sonnenaufgang aufzusuchen, und schickte sie fort wie eine gescholtene Küchenmagd.«
»Es ist nun schon weit nach der dritten Stunde«, sagte Kas Althume kühl. »Warum bist du mit deiner Geschichte nicht früher zu mir gekommen?«
Der Mann rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. »Habt Nachsehen, Eure Lordschaft«, entschuldigte er sich. »Ich traf Narin erst lange nach Mitternacht in der Gefleckten Kuh, und er war betrunkener als ein ersoffenes Schwein in einem Bierbottich. Es dauerte eine Ewigkeit, die Geschichte aus ihm herauszubekommen. Er schimpfte wie ein Rohrspatz, so sauer war er wegen des verletzten Mädchens. Und dann konnte ich Euch heute morgen nicht finden, bis Ihr hier erschienen seid.«
Kas Althume sah nicht auf das unscheinbare Kästchen, das neben ihm auf dem Schreibtisch lag – das Kästchen, das heute morgen aus Pelnar eingetroffen war. »Ich mußte etwas erledigen«, erklärte er. Es juckte ihn in den Fingern, das Kästchen wieder zu öffnen und sich an seinem Inhalt zu weiden. Er zwang sich, ganz gelassen zu bleiben.
»Das hat man mir gesagt, als ich vorhin hier war. Deswegen ging ich wieder und beobachtete eine Weile Lady Sherrines Haus, um zu sehen, ob etwas Ungewöhnliches vorging. Ich war gespannt, ob sie dem Befehl des Drachenlords folgen oder ob er kommen und den Streit mit ihr beilegen würde. Ich glaube nicht, daß er noch kommt, denn ich sah die Stallburschen die Pferde bereitmachen, und sie und die anderen Diener, die draußen herumstanden, sahen besorgt aus. Wahrscheinlich haben sie Angst, daß ihre Herrin ihren Ärger an ihnen auslassen wird, wenn sie zurückkommt.«
»Dann beabsichtigt sie also, dem Befehl des Drachenlords zu gehorchen«,
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