Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
gewesen sein, die du und Maylin gesehen habt. Sie haben Linden irgendwie überwältigt und ihm anschließend das Zeug eingeflößt. Du sagtest, sie hätten sich über ihn gebeugt, als du sie gesehen hast. Vielleicht haben sie es ihm just in diesem Moment gegeben.«
Maurynna schüttelte den Kopf. »Du irrst dich. Es war Sherrine. Ich weiß nicht, wie sie es gemacht hat, aber sie war es.«
»Rynna, bist du sicher, daß du sie nicht nur deswegen beschuldigst, weil du wegen ihr beinahe ein Auge verloren hättest?« fragte Otter und nahm ihre Hände in die seinen. »Bitte, laß uns nicht wieder streiten. Wir sind zu lange miteinander befreundet.«
»Meinetwegen«, willigte sie ein. Aber ich habe trotzdem recht, verflucht noch mal. Otter fuhr fort: »Linden ist zwar wütend auf sie, weil sie ihn gezwungen hat, ihr in aller Öffentlichkeit zu vergeben, aber selbst er glaubt nicht, daß sie etwas mit dieser Sache zu tun hat.«
Dann irrt ersieh eben auch. O Götter, warum denken Männer immer, eine schöne Frau könnte nichts Böses tun? dachte Maurynna verärgert. Die Wahrheit würde nie herauskommen. Lady Sherrine würde niemals freiwillig gestehen. Und nach cassorischem Recht war Landesverrat das einzige Verbrechen, für das ein Adliger gefoltert werden konnte. Sie nahm an, daß man den Angriff auf Linden dahingehend interpretieren konnte. Schließlich war er auf Wunsch des Cassorischen Rates hier, um dem Gericht beizusitzen und einen Bürgerkrieg zu verhindern. Aber genauso sicher, wie sie wußte, daß morgen die Sonne aufgehen würde, wußte sie, daß Linden Sherrine niemals foltern lassen würde; dafür war er nicht der Typ.
Würden doch nur die anderen Drachenlords darauf bestehen. Könnte doch nur sie darauf bestehen …
Und dann geschah es wieder, wie schon am späten Nachmittag. Die Stimmen, die sie bisher nur im Traum gehört hatte, riefen ihren wachen Geist, zogen sie in sich hinein. Eine war lauter als alle anderen, eine wohlklingende, liebliche Stimme, die zu ihr sang, sie lockte, ihr die Freiheit des Himmels und die Lieder der Winde versprach.
Sie hörte Otter ihren Namen rufen, konnte aber nicht antworten. Und nun kam seine Stimme aus immer weiterer Ferne, während sie tiefer und tiefer in ihrem Geist versank. Gleich würde sie in den Stimmen verloren sein und ihn überhaupt nicht mehr hören. Und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte.
Kas Althume strich mit blutbeschmierten Fingern über das Seelenfänger-Juwel. Unter der Berührung glomm ein schwaches, pulsierendes Licht auf. Liebevoll sah der Magier auf den Edelstein hinunter wie ein Vater aufsein Lieblingskind.
»Wunderschön, der Stein, was, Pol? Und ein so nützliches Werkzeug für einen Magier. In ihm lassen sich nicht nur Seelen aufbewahren – die Magie des Lebens –, sondern jede Art von magischer Energie, die ein fähiger Magier zu jedem beliebigen Zeitpunkt nutzen kann. Und das Schönste an all dem ist, daß man mit ihm, wenn er genügend aufgeladen ist, Seelen aus großer Entfernung einfangen kann, ohne das Opfer zu töten zumindest nicht augenblicklich.«
Pol fuhr fort, dem Leichnam auf dem Altar die Kleider auszuziehen. »Und, ist der Stein schon genügend aufgeladen, Herr?«
»Fast, Pol, fast. Nethuryns Seele darin einzufangen war ein Meisterstreich. Noch ein paar solcher Fänge, dann können wir uns an den nächsten Schritt meines Plans wagen.«
Er sah von dem blutverschmierten Juwel auf und schaute zu Pol hinüber. »Fertig? Gut. Wir werden die Kleider gleich verbrennen. Aber zuerst bekommt mein Haustier etwas zu naschen.«
Der Magier zog eine kleine Knochenflöte aus der Tasche und trällerte darauf eine Note. Pol hob den Leichnam vom Altar und stellte sich neben seinen Herrn. Kas Althume rieb seinen leicht schmerzenden Oberschenkel.
Sie warteten.
Raschelnde Büsche waren der erste Hinweis, daß der Dragauth erschien. Der zweite war der faulige Gestank verwesten Fleisches, den die nächtliche Brise herantrug.
Gerade noch lag der Rand der Lichtung verlassen da, dann erschien eine Gestalt, eine Menschengestalt, die allerdings fast drei Meter hoch aufragte. Zufrieden betrachtete Kas Althume diese finstere Ausgeburt seiner Magie. Nicht jeder Magier besaß das Können, einen Dragauth zu erschaffen, selbst wenn er den Mut besaß, das nötige Menschenfleisch zu opfern. Kas Althume besaß beides.
Der Dragauth hob die Hände. Im Fackelschein sahen sie messerscharfe Klauen, die den Körper eines Menschen mit einem Ruck
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