Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
ihr das angetan?«
»Sherrine. Hätte ich Maurynna bereits gekannt, hätte ich mich nie mit Sherrine eingelassen. Dumm wie ich bin, habe ich überhaupt nicht daran gedacht, daß sie zu so etwas fähig sein könnte. Ich glaubte, ihr klargemacht zu haben, daß sie womöglich nicht die einzige sein würde.«
Alinya sagte: »Sherrine gehört nicht zu denen, die eine Niederlage mit Würde hinnehmen, Drachenlord. Es ist schon schlimm genug, daß nicht sie Schluß gemacht hat. Aber einen Drachenlord an eine thalnianische Gemeine zu verlieren war vermutlich zuviel für sie.«
»Sherrine«, fuhr die Herzogin fort, »kann sehr töricht sein. Wie so viele cassorische Adlige. Sie wollen einfach nicht akzeptieren, daß Macht auch in den Händen von Nichtadligen liegen kann.«
Linden zog eine Augenbraue hoch. »Was?«
Alinya lächelte. »Als ich ein Mädchen war, lebten meine Eltern und ich eine Zeitlang bei der Stiefschwester meiner Mutter in Thalnia. Ich weiß, wie mächtig die Kaufmannsfamilien dort sind – einige könnten ebensogut Adlige sein, so wie die Erdons. Ja, ich erinnere mich an den Namen. Wäre Sherrine etwas gescheiter, hätte sie erkannt, daß Maurynna kein gewöhnlicher Schiffskapitän sein kann. Um in so jungen Jahren ein eigenes Schiff zu befehligen, bedarf es weitreichender Ressourcen – ebenjener, über die nur reiche Kaufmannsfamilien verfügen. Aber Sherrine sieht nur, was sie sehen will.«
Linden brummte unbehaglich. Genauso, wie er in Sherrine nur das gesehen hatte, was er hatte sehen wollen: eine nette, frohgelaunte Gespielin auf Zeit, ohne daß einem von beiden das Herz brechen würde, wenn der Augenblick der Trennung kam.
Alinya sah wieder in das angrenzende Zimmer hinüber. Sie sagte: »Darf ich Euch einen Rat geben, Drachenlord? Schickt Eure Seelengefährtin fort – und haltet Euch von ihr fern.«
Lindens erste Reaktion war Zorn. Dann gewann sein gesunder Menschenverstand die Oberhand. Alinya mußte einen Grund haben, um so etwas zu sagen.
»Warum?« fragte er, überrascht, daß er so gefaßt klang.
»Weil – es tut mir leid, das sagen zu müssen – weil die Bruderschaft nicht bloß ein altes Ammenmärchen ist, wie die meisten Leute meinen. Es gibt Gerüchte, daß einige fehlgeleitete Narren sie hier in Casna wieder haben aufleben lassen. Ich glaube, daß an den Gerüchten etwas dran ist.«
»Es hat schon immer Nörgler gegeben, die es aufregend fanden, sich ›Bruderschaft‹ zu nennen«, sagte Linden. »Und abgesehen von dem einen oder anderen Verrückten, der einem Drachenlord gelegentlich an die Gurgel springt, ist dies alles was sie tun: herumnörgeln.«
Alinya sah ihm direkt ins Gesicht, ihr Blick klar und besonnen. »Ich habe mein Leben lang versucht, mich aus den Intrigen und Machtränken in Cassori herauszuhalten, Drachenlord, aber ich habe nicht meine Ohren verschlossen. Ich … höre Dinge. Und ich kann sehr wohl eins und eins zusammenzählen, wie man so schön sagt. Ich bin davon überzeugt, daß diese neue Inkarnation der Bruderschaft gefährlich ist.
Falls bekannt würde, daß das Mädchen Euch soviel bedeutet, könnte die Bruderschaft versuchen, Euch über sie anzugreifen. Je öfter Ihr mit Maurynna Erdon gesehen werdet, desto wahrscheinlicher wird, daß jemand anderem dasselbe auffallt, was mir heute abend aufgefallen ist. Wollt Ihr Eure Seelengefährtin dieser Gefahr aussetzen, Linden Rathan?«
»Sherrine wurde nicht angegriffen«, entgegnete Linden.
»Richtig«, sagte Alinya. »Aber Sherrine ist eine Adlige, und ihre Mutter ist mit einem Prinzen verbändelt Vermutlich wagt die Bruderschaft noch nicht, jemanden in so hoher Position anzugreifen. Aber Maurynna … Sie hat keinen derartigen Schutz und stammt zudem aus einem anderen Land.«
Die alte Frau legte ihm eine faltige Hand auf den Arm. »Es tut mir leid, Drachenlord. Ich weiß, wie lange Ihr warten mußtet. Ich kann mir eine solche Zeitspanne nicht vorstellen, aber ich kann es Euch nachfühlen. Ihr sollt sie ja bloß für die Dauer Eures Aufenthaltes in Cassori fortschicken, danach könnt Ihr sie an einen sicheren Ort mitnehmen.«
»Ich könnte sie unter meinen persönlichen Schutz stellen«, sagte Linden, jedoch mehr aus Sturheit, als daß er wirklich an die Idee glaubte.
»Bah! Warum nicht gleich von allen Dächern verkünden, wie man Euch am besten trifft? Könnt Ihr jede Stunde des Tages bei ihr sein und sie beschützen? Außerdem ist sie nicht dumm sonst hätte ihre Familie ihr kein Schiff anvertraut.
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