Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
…
Und um sich am Morgen von Zuia finden zu lassen, die sofort ihrem Onkel alles erzählen würde? Um zu hören, wie ihr Onkel sie ausschimpfte, weil sie die Sicherheit des Kindes gefährdete – dieses Eindringlings in ihrem Leib? Und um sich von einem Möbelstück besiegen zu lassen?
Tausendmal, tausendmal nein. Sie kroch mit pochendem Herzen ins Bett und erinnerte sich an all die alptraumhaften Tage und Nächte. Trotzig blies sie die Öllampe aus, lag im Dunkeln und starrte an die Decke.
Als ihre Augen sich an die Nacht gewöhnt hatten, als ihr verschreckter Körper begriff, daß sie tatsächlich allein war, endlich allein in diesem Bett, streckte Nama die Arme so weit wie möglich aus. Sie berührten niemanden.
Sie legte sich auf die Seite. Nachdem sie noch lange bei jedem kleinen Geräusch zusammengezuckt war, schlief sie endlich ein und fragte sich, wie lange diese Atempause dauern würde.
Sie stritten so lange darüber, daß es Xiane wie ein ganzes Leben vorkam, aber endlich gab er nach. Yesuin schlug die Hände vors Gesicht, als der Phönixherrscher einem Diener befahl, General V’Choun zu ihm zu bringen.
Shei-Luin würde wütend sein, dachte Yesuin verzweifelt. Denn wenn irgendjemand von Fürst Kirano die Wahrheit erfuhr, eine Wahrheit, die er jedem sagen würde, der ihn fragte …
Ach, Phönix, warum muß es für uns sowohl Gefahr als auch Rettung sein, daß Kirano dem Weg des Kranicheremiten folgt? Wenn er Xiane von diesem Wahnsinn, den Phönix gefangenzuhalten, abbringen kann, wird es das Land retten. Aber Kirano wird nicht lügen. Wenn ihn irgend jemand fragt, ob Shei-Luin …
Yesuin schüttelte heftig den Kopf, um diese Gedanken beiseite zu schieben. So etwas zu denken beschwor es nur herbei.
Nur ein Gedanke tröstete ihn. Ganz gleich, was er erfahren würde, Xiane würde Shei-Luin niemals verstoßen; der Kaiser liebte sie zu sehr.
Er liebte sie so sehr, wie Yesuin sie liebte. Yesuin biß sich auf die Lippe, um einen Schmerz zurückzuhalten, dem er niemals nachgeben durfte.
28. KAPITEL
Yesuin wünschte sich, daß Xiane Shei-Luin nichts von ihrem Vater sagen würde. Aber niemand sagte »nein«, wenn der Kaiser von Jehanglan seine Absicht verkündete, seiner »kostbaren Blüte« zu erzählen, daß er nach ihrem Vater geschickt hatte, weil es sie »zweifellos erfreuen würde«.
Wie konnte man demselben Kaiser erklären, daß seine »kostbare Blüte« schon den Namen ihres »Vaters« haßte. Daß seine Lieblingskonkubine nur zu ihm gekommen war, weil der Mann, den die Welt für ihren Vater hielt, sie nicht mehr um sich haben wollte, nachdem man nach seiner wahren Tochter geschickt hatte?
Kurz gesagt, man tat es nicht. Man versuchte es auf andere Weise.
»Wollt Ihr es ihr wirklich sagen?« wollte Yesuin wissen.
»Selbstverständlich«, meinte Xiane überrascht. »Sie sollte sich doch sehr freuen, nicht wahr?«
Yesuin meinte vage: »Es wäre sicher auch eine nette Überraschung …«
Xiane lachte sein lautes, zügelloses Lachen. »Vetter – das ist eine wunderbare Idee! Wir werden sie überraschen.«
Großzügiger, nervtötender, nachlässiger Xiane; selbst danach rutschte es ihm irgendwie heraus, daß er daran dachte, nach Fürst Kirano zu schicken, und selbstverständlich erfuhr Shei-Luin es sofort. Daß er auch angedeutet hatte, wer den Vorschlag gemacht hatte, war vollkommen klar, sobald Yesuin aus dem Geheimgang in Shei-Luins Zimmer schlüpfte. Er wußte, daß Xiane nicht in dieser Nacht hier sein würde; Shei-Luins Schwangerschaft war viel zu fortgeschritten, daß ein Mann, der sich an die Bräuche hielt, noch mit ihr geschlafen hätte. Sie waren sicher.
Aber er war nicht sicher vor Shei-Luin. Sie brach über ihn herein wie ein Gewitter, sobald er die Geheimgangtür geschlossen hatte.
»Hast du den Verstand verloren?« fauchte sie. »Du mußt diesem Wahnsinn sofort ein Ende machen.« Obwohl sie leise sprach, versengte ihn der Zorn.
Yesuin streckte die Arme nach ihr aus. »Geliebte, versteh mich doch! Der Weg des Phönix ist besudelt; es kann nicht mehr so weitergehen. Du hast die Nachrichten von den Katastrophen, die das Land ereilen, gehört. Wenn der Phönix nicht befreit wird, wird er uns zerstören, genau wie dein Vater …«
»Er ist nicht mein Vater, und das weißt du genau!«
Scharlachrote Seide blitzte auf, als sie sich ihm entzog. Selbst hochschwanger war sie die Anmut selbst. Shei-Luin ging auf und ab wie eine Tigerin, und ihre dunklen Augen blitzten. Würde
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