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Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix

Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix

Titel: Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Bertin
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Aber hinter dem Eis lag Angst.
    Es war klug von ihr, sich zu fürchten; anders als ihr Sohn war Yesuins Mutter nicht dumm. Yemals Lächeln wurde breiter, als er die Klappe zum Zelt zurückschob und gefolgt von Dzeduin hereinging.
    Der Gestank nach Krankheit traf ihn wie ein Schlag. Yemal hätte sich beinahe übergeben, beherrschte sich aber mit gewaltiger Anstrengung, es war nicht gut, vor denen, die hier warteten, Schwäche zu zeigen.
    Besonders nicht gegenüber dem Sterbenden. Sein Vater lag auf seinem Schlafpelz, in Decken gewickelt wie ein kleines Kind, obwohl der Abend warm war und in dem Zelt erstickende Wärme herrschte. In Oduins Augen stand der Schmerz; einer seiner Pflegebrüder, Kiu, stützte ihn, während er aus einem Hörn trank, das Mejilu, seine Hauptfrau und Yemals Mutter, für ihn hielt. Ein dünnes Rinnsal von weißem Mharoushy dem Getränk, das die Stämme aus fermentierter Milch herstellten, tröpfelte von seinem Mundwinkel. Aber von der Art, wie der Blick seines Vaters klarer wurde, wußte Yemal, daß in dem Hörn mehr als nur Mharoush war. Zweifellos Mohn, und genug, um einen gesunden Mann ins Reich der Träume oder gar in den Tod zu senden. Für einen Mann, der vom Dämon zerrissen wurde wie Oduin, brachte es nur noch kurzfristige Erleichterung. Als das Hörn leer war, wischte Yemals Mutter die Milch weg, und Kiu half Oduin, sich wieder gegen die Kissen zu lehnen, die ihn stützten.
    »Vater«, sagte Yemal, »ich bin hier.« Er warf seiner Mutter einen Blick zu; sie erhob sich lautlos und zog sich in den Halbkreis von Beobachtern an den Zeltwänden zurück. Das hier war eine Männerangelegenheit.
    Einen Augenblick lang glaubte er, sein Vater hätte ihn nicht gehört. Dann wandte Oduin sich ihm zu. Wie konnte er immer noch leben, fragte sich Yemal. Der Dämon in ihm hatte ihn gefressen, bis sein Kopf aussah wie ein dünnes, abgetragenes Trommelfell, das man über einen Schädel gestreckt hatte. Yemal wußte, wenn er die Decken wegreißen würde, würde der verwüstete Körper darunter genauso aussehen. Nur die Augen, die wild im Licht der Öllampen glitzerten, die an den Zeltstangen hingen, wirkten lebendig – zumindest so lange, bis die Wirkung des Mohns wieder nachließ.
    Mit diesen Augen starrte er ihn an. Yemal verbeugte sich vor seinem Vater, dann kniete er am Fußende des Bettes. Er setzte sich auf die Hacken und wartete.
    »Nun sollst du also deinen Wunsch bekommen«, krächzte sein Vater. »Du wirst Temur werden.«
    »Dazu hast du mich erzogen«, entgegnete Yemal.
    Oduin schnaubte; es wurde zu einem Husten. Als der Anfall vorüber war, sagte er: »Und was wirst du tun, wenn du endlich Temur bist?«
    Yemal lächelte dünn. »Du weißt genau, was ich tun werde, Vater. Dasselbe, was du vor Jahren hättest tun sollen.«
    Vertrocknete Lippen wurden zum Zähnefletschen eines Wolfs zurückgezogen. »Du hast also immer noch vor, die Jehangli zu bekriegen? Und was ist mit deinem Bruder?«
    »Mein Bruder ist selbst Jehangli«, sagte Yemal höhnisch. »Du hast gehört, daß er sich im Palast mit dem Kaiser auf seidenen Kissen wälzt und ein Leben der Dekadenz lebt, das sich nur für einen Eunuchen und nicht für einen Mann gehört! Wenn er stirbt, wird es nur ein weiterer Jehangli sein, der stirbt – und das zählt nicht.«
    Oduin setzte sich ein wenig aufrechter hin und begann, mit einer dünnen, keuchenden Stimme auf ihn einzuschreien, hinter der keine Kraft mehr lag. Yemal wartete reglos ab. Als es vorüber war, wurden die Augen seines Vaters wieder glasig vor Schmerz.
    »Leg dich hin, leg dich hin«, drängte Kiu. Der alte Mann warf Yemal einen vorwurfsvollen Blick zu, als er seinen Pflegebruder in die Kissen lehnte und die Kissen höherzog. »Ruh dich jetzt aus.«
    Oduin schloß die Augen. Bald war es still im Zelt, bis auf die Geräusche seiner letzten Schlacht: Mit jedem keuchenden, rasselnden Atemzug kämpfte der Temur um sein Leben.
    Ein Klopfen an die Schlafzimmertür brachte Linden schimpfend aus dem Bett. Maurynna war direkt hinter ihm.
    »Wer ist da?« knurrte er. Ein rascher Blick aus dem Fenster zeigte ihm, daß es bis zur Morgendämmerung noch lange dauern würde.
    »Ich bin es, Eustan, vom Schiff«, rief eine Jungenstimme. »Der Schiffsjunge. Der Kapitän hat mich geschickt, um Euch zu sagen, daß der Wind sich gewendet hat, und wenn sich alle beeilen, können wir mit der Morgenflut auslaufen.«
    Einen Augenblick lang war Linden zu verblüfft, um etwas sagen zu

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