Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
keine Kinder zeugen. Wer wußte das besser als sie? In Gedanken erinnerte sie sich an das Fest der Riya-Akono. Jhanun mußte an diesem Tag ihr Geheimnis erraten und beschlossen haben, daß auch er dieses Spiel spielen konnte; sie hätte niemals geglaubt, daß dieses kleine Kaninchen mutig genug war, sich selbst einen Geliebten zu nehmen – nicht bei den Strafen, die einer untreuen Konkubine bevorstanden. Wahrscheinlich hatte Namas Onkel ihr einen Zharmatianer aufgezwungen, den er zu diesem Zweck entführt hatte. Shei-Luin fragte sich, ob man die Leiche des armen Mannes je finden würde, nun, da er seine Arbeit getan hatte.
Und die Ironie bestand darin, daß sie die Wahrheit über dieses Mädchen nicht aussprechen durfte, nicht ohne sich und ihre eigenen Kinder zu verraten. Nein, sie und Jhanun würden einander umtänzeln, und jeder mußte das Geheimnis des anderen wahren, obwohl es bitter wie Galle war.
Shei-Luin biß die Zähne zusammen. Sie dachte daran, wie scharf man sie während ihrer Schwangerschaften bewacht hatte, und wußte, daß es unmöglich sein würde, Nama irgend etwas anzutun – Nama, die bald schon Nama noh Jhi sein würde.
Aber sie mußte es tun. Solange sie die einzige gewesen war, die dem Phönixthron einen Erben geboren hatte, hatte kein Zweifel daran bestanden, wer eines Tages die Gewänder der Kaiserin tragen würde. Aber falls Nama einen Sohn haben sollte …
Wie konnte sich die Tochter eines Exilierten schon mit einer Frau aus einem der großen Adelshäuser messen? Und ihre Mutter war zudem auch noch eine zharmatianische Konkubine gewesen.
Viele Minister fürchteten sie bereits wegen ihres Einflusses auf Xiane. Wenn sie – und ihre Söhne – ersetzbar wurden und die Minister Jhanun unterstützten …
Ich werde Nama töten, schwor Shei-Luin. Um meiner Kinder willen werde ich sie umbringen, und ihr Kind mit ihr.
»Beeilt Euch!« rief Kapitän Okaril. »Wir müssen mit dieser Flut auslaufen!«
»Es ist alles bereit!« rief Linden aus dem Frachtraum zurück. »Die Pferde sind an Ort und Stelle.«
Okarils Gesicht verschwand aus der offenen Luke. »Leinen los!«
Linden hörte, wie es an Deck hektisch wurde. Dann spürte er, wie die Strömung das Schiff übernahm und es sich vom Dock entfernte.
Endlich waren sie auf dem Weg nach Jehanglan.
5. KAPITEL
Maurynna stand mit Linden an der Reling des Schiffs und spähte in den Nachthimmel. Ausnahmsweise war der geheimnisvolle Nebel über der Meerenge einmal verschwunden. Das Flattern des Segeltuchs und das Klatschen der Wellen gegen den Rumpf des Schiffes erfüllte die Dunkelheit ringsum sie her. Linden mußte ihre Stimmung gespürt haben, denn er sagte nichts, starrte nur in das schwarze Wasser, das das Schiff durchteilte.
Einstmals hatte auch sie an Deck ihres eigenen Schiffs gestanden, die Sterne betrachtet, einen Kurs berechnet. Aber heute nacht trug ein anderer diese Verantwortung. Zum ersten Mal war sie froh darüber. Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befanden.
Es gab hier Sternbilder, die sie nie zuvor gesehen hatte; sie fragte sich, ob diese fremden Sterne den Himmel wohl vollständig übernehmen und jene verscheuchen würden, die sie seit der Kindheit kannte, wenn sie nur weit genug nach Süden segelten. Die Gestalt der Himmelsschwestern war bereits halb hinter dem nördlichen Horizont verschwunden. Würde ihr alles in diesem fremden Land fremd sein?
Eine plötzliche Sehnsucht, Schloß Drachenhort wiederzusehen, überfiel sie. Sie war nicht in der Lage, all diese Fremdheit noch länger zu ertragen, und sagte: »Gehen wir unter Deck.«
Sie griff nach Lindens Hand und ging mit ihm hinunter in die Kabine, die sie mit Lleld und Jekkanadar teilten. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als daß alles bald vorüber sein möge.
Am nächsten Morgen gab es nichts im Wasser, das Linden erkennen konnte, keine Riffe oder Felsen, aber das Schiff nahm eine unerwartete Wendung, diesmal nach – verflucht – welche Richtung war es? Ja, Backbord, links war Backbord. Er beugte sich über die Reling und spähte in das blaue Wasser hinab, das vorbeirauschte, und dachte, er müsse Maurynna unbedingt erzählen, daß er es sich endlich merken konnte.
Lleld kam zu ihm an die Reling. Ihre roten Locken flatterten im Wind; sie schob sie zurück, wenn sie ihr ins Gesicht geblasen wurden.
»Wir haben schon wieder den Kurs gewechselt«, sagte sie. »Gab es diesmal einen offensichtlichen Grund?«
»Nein«, meinte Linden, »nicht, daß man in
Weitere Kostenlose Bücher