Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
sich über den flachen Bauch; zwei Kinder und immer noch die Figur eines jungen Mädchens.
»Wenn Murohshei zurückkommt, schickt ihn herein«, befahl sie, als die Badewärterinnen sie in die Wanne hoben. Sie sank in das warme Wasser und seufzte vor Entzücken. Das war eines ihrer größten Vergnügen; als geringere Konkubine einer adligen, aber exilierten Familie, hatte sie zuvor die Badewanne mit mindestens zwei anderen Frauen teilen müssen. Da keine sonst so heiß wie sie badete, war sie immer überstimmt worden, und das Wasser war zu kalt gewesen. Ich denke, ich werde mich jetzt lange, lange nicht mehr bewegen, dachte sie träge, lehnte sich zurück und schloß die Augen.
Einige Zeit später kehrte Murohshei in ihre Gemächer zurück – nicht, bevor die Frauen beinahe damit fertig waren, sie trockenzureiben. Zyuzin folgte ihm; der Junge trug sein Zhansjen unter dem Arm. Murohshei berührte die Wange des jüngeren Eunuchen sanft. Zyuzin lächelte und klimperte mit den Wimpern zu seinem Geliebten hin, bevor er sich hinsetzte. Er fuhr mit zarten Fingern über die Saiten.
»Und?« fragte Shei-Luin.
»Ein Bote wurde heute früh zum Erlauchten Phönixherrscher geschickt, der im Tempel seiner Urahnen weilt. Es ist erst der zweite Tag der Opferungen, Herrin, Ihr werdet genug Zeit haben, um Euch vorzubereiten«, sagte Murohshei. Seine Stimme verriet nichts.
Gut; dann habe ich noch bis morgen abend Zeit. Er muß die Zeremonien dort beenden, und sie sind langwierig und langweilig, dachte Shei-Luin. Dann muß ich ihn bezaubern. Ich frage mich, ob er die Jungen besucht hat, als er dort war; ihr Pavillon ist ganz in der Nähe des Tempels.
»Ich warte begierig auf diesen glückverheißenden Augenblick.« Ihr Blick sagte: Geh. Finde alles heraus. Finde heraus, was ich wissen will.
Murohshei verbeugte sich und ging.
Shei-Luin räkelte sich genüßlich auf dem Tisch im Badezimmer und erfreute sich an den kräftigen Fingern einer Sklavin, die ihr Duftöle in die Haut knetete. Zyuzin saß in der Nähe, seine Finger entlockten dem Zhansjen eine Melodie, und er hob die Stimme zu einem Liebeslied, das schlichte, runde Gesicht verwandelt von der Freude des Gesangs.
Seine Stimme ist ein Geschenk des Phönix, dachte Shei-Luin träge. Zyuzin war nun sechzehn, aber er hatte immer noch die schöne, klare Stimme eines Jüngeren. Genau das hofften die Eunuchenmeister zu bewahren, wenn sie einen jungen Sänger kastrierten. Aber häufig veränderte sich trotzdem etwas in der Stimme eines Jungen, während er älter wurde, die kostbare Klarheit wurde langsam weniger, bis sie verschwand wie eine Schneeflocke in der Hand. Daß Zyuzin hier war, war ein weiterer Beweis der Gunst des Phönixkaisers. Nun sang das Juwel nur für sie.
Und es freute sie, daß Murohshei in dem Jungen einen Geliebten gefunden hatte. Er hatte für seine Treue eine Belohnung verdient – wie lange sein Glück auch dauern mochte. Shei-Luin war nur zu vertraut mit der Geschwindigkeit, mit der die Gunst unter Eunuchen wechselte. Um Murohsheis ebenso wie um Zyuzins willen hoffte sie, daß dies eine der seltenen Beziehungen war, die Bestand hatten.
Die Sklavin fand einen besonders verspannten Knoten in ihren Muskeln. Shei-Luin gab ein protestierendes Geräusch von sich, und die begabten Finger massierten sanft die Verkrampfung weg.
Sie hörte, wie die Tür zur äußeren Kammer aufging, aber es hatte kein rasches Klopfen gegeben, das sie vor Murohshei oder einem anderen Diener warnte. Das hier war ein Eindringling.
Wer wagt es? dachte sie und hob sich zornig auf die Ellbogen. Wer wagt es, mich im Bad zu stören? Sie holte Luft, um zu befehlen, daß der Eindringling ausgepeitscht wurde.
Ein verblüfftes Zirpen ihrer Frauen aus der äußeren Kammer und plötzliches, erschrockenes Schweigen führten dazu, daß sie sich aufrecht auf den Tisch setzte, die Worte im Hals erstickt. Zyuzins Lied brach mitten im Ton ab.
»Kostbare Blüte«, rief die verhaßte Stimme, und der Kaiser von Jehanglan kam hereingestürzt. Die Badesklavin und Zyuzin fielen auf die Knie und verbeugten sich, berührten wieder und wieder das Holz des Bodens mit den Stirnen.
Nein – das konnte nicht sein. Zorn kochte in ihrer Brust auf. Sie kämpfte dagegen an, bevor er etwas bemerkte.
Ihre Gefühle nun eisern beherrscht, stieg Shei-Luin anmutig vom Massiertisch und achtete bewußt nicht darauf, daß sie nackt war. Sie wußte, welche Wirkung das auf Xiane haben würde. Er würde nur das sehen –
Weitere Kostenlose Bücher