Drachenlord-Saga 03 - Das Lied des Phönix
noch ein Risiko gewesen.
Und aus diesem Grund fiel es ihr schwer, mochte der Phönix ihr helfen! Sie wußte genau, daß Yesuin nur deshalb noch lebte, weil der Kaiser seinen Geiselfreund liebte. So wütend sie auf Yesuin gewesen war, sie hatte ihn nie sterben sehen wollen. Niemals. Sie würde ihn niemals wiedersehen, aber das Wissen, daß er noch lebte und frei war, tröstete sie, gab ihr die Kraft, die vergoldeten Gitter des Käfigs zu akzeptieren, in dem sie lebte.
Aber trotz allem, was er für Yesuin getan hatte, stellte Xiane eine Bedrohung für ihre Söhne dar. Sie lauschte abermals Xahnus lautem Lachen – auch nur zu denken, daß diese geliebte Stimme vor ihrer Zeit verstummen sollte …
Sie würde tun, was sie tun mußte, was sie immer getan hatte. Dem Phönix sei Dank, war das nicht unwiderruflich. Sie konnte die Bühne bereiten, brauchte aber nicht mit der Aufführung zu beginnen, wenn Xiane zur Vernunft kommen sollte.
»Murohshei«, sagte sie leise, ohne den Kopf zu wenden.
»Ja, Begünstigte?« antwortete der Eunuch und blieb einen Schritt hinter ihrer Schulter stehen. Falls jemand sie vom Palast aus beobachtete, würde man sie nicht sehen, wie sie die Köpfe zusammensteckten und Ränke schmiedeten.
»Hast du darüber nachgedacht, was ich dir von den Plänen des Kaisers erzählt habe?«
»Ja, Herrin.«
»Und über meine Angst, was dies für meine Söhne bedeuten könnte?« Die Worte fielen ihr schwer. Verlieh es ihnen nicht schon Macht, sie auszusprechen?
»Ja. Und ich fürchte, daß Ihr recht habt.« Die Stimme des Eunuchen war leise, und er klang besorgt. »Denn als ich, lange bevor ihr herkamt, ein Junge im Palast war, lauschte ich häufig den Lehrern der jungen Adligen, wenn sie über die Geschichte von Jehanglan sprachen. Solche Morde sind in der Vergangenheit häufig geschehen. Es würde sehr wahrscheinlich wieder passieren.«
Shei-Luin wurde eiskalt. Murohshei war sicher kein Orakel, aber seine Worte hatten den Klang einer echten Prophezeiung.
Warum verstand Xiane das nicht? Konnte irgend jemand wirklich so naiv sein?
Wenn das überhaupt möglich wäre, dann für Xiane, dachte sie müde.
»Ich kann nicht gestatten, daß Xiane abdankt«, sagte sie. »Wenn ich ihn überzeugen kann, es nicht zu tun, würde alles gut werden, das Leben wird so weitergehen wie bisher, und eines Tages wird Xahnu den Thron erben. Aber wenn Xiane nicht zur Vernunft kommt, dann habe ich keine andere Wahl, als den Thron als Regentin zu besteigen.«
Sie hielt inne; sie hätte die nächsten Worte nie laut ausgesprochen. Mit ihnen würde sie ihr Leben in Murohsheis Hände legen. Wenn er sich entschied, sie zu verraten, würde sie einen langen, grausamen Tod sterben.
Sie holte tief Luft und fügte hinzu: »Was bedeutet, daß Xiane sterben müßte.«
Der Wind wurde stärker, zupfte an den Ärmeln ihrer schweren Gewänder, verursachte Wellen auf dem Wasser des Lotusgartens und ließ die weißen Blüten auf dem Wasser hüpfen. Murohshei wartete an ihrer Schulter. Er sprach kein Wort des Tadels aus, und er rief auch nicht nach den Wachen.
Statt dessen sagte er leise: »Ich verstehe, Geliebte des Phönix. Was soll ich tun?«
Erleichtert sagte Shei-Luin: »Du mußt dich mit Zyuzins Familie in Verbindung setzen.«
Dann, unfähig, noch länger so reglos zu stehen, ging sie am Marmorrand des Teiches entlang. Murohshei folgte ihr wie ein Schatten. Auf dem Weg erklärte sie ihm, was getan werden mußte.
Als sie fertig war, fügte sie mit einer Heftigkeit hinzu, die sie selbst überraschte: »Laß uns hoffen, daß es nicht notwendig sein wird.«
»Möge der Phönix Euch diesen Wunsch gewähren, Herrin.«
Während er mit den anderen auf Raven und Taren wartete, brachen Worte mit der Wucht einer Lawine in Lindens Geist. *Ihr seid diejenigen, von denen er gesprochen hat – das habe ich befürchtet! Lauft! Lauft!* Diese Worte waren begleitet von Angst und Bildern von Drachenlords, die in Ketten davongeschleppt wurden, um für immer zu leiden.
Linden schüttelte den Kopf, um wieder klarer zu werden, sah die anderen Drachenlords an und wußte, daß auch sie es gehört und erfahren hatten. Sie waren wie betäubt. Nur Otter schien unberührt.
Das war ein Drache. Linden sah sich instinktiv nach Taren um, um ihn nach einer Erklärung zu fragen; angeblich gab es in Jehanglan doch keine Drachen mehr. Noch während er sich fragte, ob er das glauben sollte, entdeckte er etwas, das ihn zu einem Entschluß brachte.
Er war größer
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