Drachenmagier
Tentakeln zu
zerquetschen.
Eine List. Eine List,
um Zeit zu gewinnen, Samah rechnet damit, daß ich meine
Energie verschwende, um
mich zu befreien, statt daß ich ihn angreife. Wenn er sich da
nicht irrt.
Haplo konzentrierte
sich verbissen darauf, das Runengefüge der
unterbrochenen Beschwörung zu
vollenden. Die Sigel hingen als feuriges Muster über
ihm in der Luft. Er
fühlte, wie die Macht darin pulsierte, als er
plötzlich merkte, wie eine Welle
über seinen Stiefel schwappte.
Wasser…
Plötzlich durchschaute
Haplo Samahs Plan. Das hatte er also vor: ihn in Meerwasser werfen.
Einfach,
aber genial.
Der Patryn fluchte mit
zusammengebissenen Zähnen, bewahrte aber kühlen Kopf.
Er schuf das Runengefüge
zu einem Hagel brennender Pfeile, die er gegen das Geschöpf
dirigierte, das ihn
gepackt hielt.
Natürlich war der
Tentakel naß, benetzt von dem Meerwasser, das Magie unwirksam
machte. Die magischen
Pfeile prallten ab und lösten sich zischend auf.
Wellen fluteten über
Haplos Fuß, über sein Bein. In beginnender Panik
wühlte er die Hände in den
Sand, um sich gegen den Zug des Greifarms zu stemmen, die unerbittliche
Rutschpartie aufzuhalten. Seine gekrümmten Finger
hinterließen tiefe Furchen.
Die Kreatur wurde zu stark, Haplos Magie wurde schwächer. Die
komplexen
Runenstrukturen bekamen Risse.
Die Dolche! Trotz des
Widerstands der Schlingen, unter deren Umklammerung sein Bein
inzwischen taub
geworden war, drehte Haplo sich auf den Rücken, riß
sein Hemd auf, zog das
Wachstuchpaket aus dem Gürtel und zerrte mit
fliegenden Fingern an der
Umhüllung.
Nüchterne
Logik ließ ihn innehalten; Logik, die ihm mehr als einmal
geholfen hatte, im
Labyrinth zu überleben. Das Wasser stieg an seinen
Oberschenkeln hinauf. Die
beiden Dolche waren seine einzige Waffe, sein einziges Mittel zur
Verteidigung,
und was tat er? Er riskierte, daß sie im Wasser ihre
magische Eigenschaft
verloren. Nicht nur das, er hätte seinem Feind – seinen
Feinden (er
durfte das interessierte Publikum im Hintergrund nicht
vergessen) – ihre
Existenz verraten. Nein, es war klüger, die Niederlage
hinzunehmen, so bitter
es sein mochte, und sich ein Hintertürchen
offenzuhalten, statt die letzte
Chance mit einer theatralischen Geste zu verspielen, die
nichts einbrachte.
Er drückte das Paket fest an die Brust und
schloß die
Augen. Das Wasser stieg über seine Hüften,
über die Brust, bedeckte seinen
Kopf.
Samah sprach ein Wort.
Der Tentakel löste sich und verschwand.
Haplo lag unter Wasser
auf dem flach abfallenden Strand. Er brauchte nicht an sich
hinunterzuschauen,
um zu wissen, was er sehen würde: abstoßend nackte,
fahlweiße Haut.
Er lag so lange still,
während kleine Wellen über sein Gesicht hinwegliefen,
daß Alfred es offenbar
mit der Angst zu tun bekam.
»Haplo!« jammerte er,
und der Patryn hörte stolpernde, schlurfende Schritte
in seine Richtung kommen,
die achtlos durchs flache Wasser patschten.
Haplo richtete sich
auf. »Hund, halt ihn fest!« rief er befehlend.
Der Hund stürmte
hinter Alfred drein, schnappte nach seinen
Rockschößen und zerrte ihn nach
hinten. Alfred streckte haltsuchend die Arme aus, taumelte und setzte
sich
ruckartig in den Sand. Der Hund stand neben ihm und hechelte zufrieden,
doch
schien er unschlüssig zu sein, ob er wie früher zu
Haplo laufen sollte, oder ob
das Verhältnis zwischen ihnen noch einer Klärung
bedurfte.
Samah warf Alfred
einen verächtlichen, geringschätzigen Blick
zu. »Das Tier hat allem Anschein
nach mehr Verstand als du.«
»Aber – Haplo ist
verletzt! Vielleicht ertrinkt er!« verteidigte
Alfred sich.
»Er ist ebensowenig
verletzt wie ich«, erwiderte Samah kalt.
»Er spielt uns etwas vor, vielleicht
ersinnt er schon wieder neue Schlechtigkeiten. Was immer es sein mag,
er wird
ohne seine Magie auskommen müssen.«
Der Archont ging zum
Ufer hinunter, doch gab er acht, dem Wasser nicht zu nahe zu kommen.
»Steh auf,
Patryn. Du und dein Kumpan, ihr begleitet mich nach Surunan, wo der Rat
entscheiden wird, was mit euch geschieht.«
Haplo ignorierte ihn.
Das Wasser hatte seine Magie ausgelöscht, aber auch das Fieber
in seinem Blut
abgekühlt. Er war fähig klar zu denken und
nach Auswegen zu suchen. Eine Frage
mußte zuerst beantwortet werden: Wo waren die
Drachenschlangen?
Sie waren verborgen in
ihrer Höhle, wo sie lauerten, sich an der Angst labten, an
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