Drachenmagier
Nichtigen erlaubt, ungehindert aus der Höhle zu
fliehen, sie dabei
aber nicht aus den Augen gelassen. Die drei erreichten den Strand. Sie
konnten
Haplo sehen und sein Schiff. Mit frischem Mut liefen sie auf ihn zu.
Hinter ihnen strömten
wie schillernde Rinnsale eines giftigen Quells die Drachenschlangen aus
ihrer
Höhle; hundert geschmeidige Leiber wanden sich zielstrebig
über das Geröll des
Berghangs zu dem sandigen Uferstreifen hinunter.
Alake, Grundel und
Devon hörten ihr Zischen und drehten sich herum.
Der rotgrüne Blick der
Schlangen lahmte sie, machte es ihnen unmöglich, sich von der
Stelle zu rühren.
In hilflosem Entsetzen sahen sie mit an, wie die Kreaturen
züngelnd die Luft
schmeckten, Furcht witterten. Sie näherten sich der Beute,
doch es war nicht
ihre Absicht, schnell zu töten.
Furcht machte sie
stark, Entsetzen verlieh ihnen Macht. Sie waren immer
enttäuscht, ein Opfer
sterben zu sehen. Die Drachenschlangen senkten den
tückischen Blick und
schoben sich träge, fast bedächtig durch den tiefen,
knochenweißen Sand.
Die Nichtigen, von dem
lähmenden Bann befreit, schrien auf und rannten aus
Leibeskräften zu der
Stelle, wo Haplos Boot lag, unbarmherzig verfolgt von den Schlangen,
die das
Spiel genossen.
Sie blieben den
Fliehenden gerade so dicht auf den Fersen, daß sie den
Modergestank des
sicheren Todes rochen und die Geräusche hörten, die
sie als letzte Wahrnehmung
mit hinüber nehmen würden – das
Malmen und Schaben der gigantischen Leiber im
Sand, das triumphierende Zischen. Vor den Nichtigen her glitt der
gräßliche
Schatten der turmhoch über ihnen aufragenden flachen,
dreieckigen
Reptilschädel über den Boden.
Während sie sich mit
der Beute vergnügten, die ihnen sicher war, beobachteten die
Kreaturen mit
hämischer Genugtuung den Zweikampf zwischen Patryn und
Sartan und nährten sich
von deren Haß.
Viel zu bald wurden
die Nichtigen schwächer, ihre Kräfte erlahmten, sie
stumpften ab. Es war an der
Zeit, die Beute ein wenig anzustacheln und aus der Lethargie zu
reißen.
»Macht euch bereit«,
befahl der Schlangenkönig, an der Spitze der Verfolger.
»Die Menschin. Tötet
sie.«
Der Tag zog herauf,
die Dunkelheit verblaßte zu einem
bedrückenden Grau. An diesem Ort der
Finsternis wurde es niemals wirklich hell. Fahles Sonnenlicht
sickerte durch
das trübe Wasser empor, Haplo konnte seinen dünnen,
zittrigen Schatten vor sich
laufen sehen.
»Wir müssen ihm
helfen!« beschwor Alfred Samah. »Du kannst ihm
helfen. Gebrauche deine Magie.
Zusammen gelingt es uns, die Schlangen
zurückzutreiben…«
»Und während ich gegen
die Schlangen kämpfe, macht dein Patrynfreund sich davon. Ist
das dein Plan?«
»Davonmachen?« Alfred
blinzelte verdutzt. »Wie kannst du so etwas sagen? Sieh doch!
Sieh hin! Er
setzt sein Leben aufs Spiel…«
»Ach was! Er ist nicht
in Gefahr! Die Kreaturen gehorchen ihm! Sein Volk hat sie
erschaffen.«
»Orla hat mir etwas
anderes erzählt«, rief Alfred erbost.
»Was haben die Drachenschlangen zu dir
gesagt, Samah, an der Küste vor Surunan? ›Wer hat
euch geschaffen?‹ hast du
sie gefragt. ›Ihr Sartan wart es.‹ Das war ihre
Antwort, ist es nicht so?«
Samahs Gesicht war zu
einer Maske beherrschter Wut erstarrt. Er hob die rechte Hand, um ein
Sigel in
die Luft zu zeichnen. Mit der linken zeichnete Alfred
dasselbe, nur spiegelverkehrt,
und neutralisierte die Magie.
Samah tat einen
anmutigen Tanzschritt zur Seite und murmelte halblaut eine
Beschwörung.
Alfred bewegte sich in
die entgegengesetzte Richtung und sprach dieselben Worte
rückwärts.
Die magische Wirkung
war aufgehoben.
Doch hinter sich
vernahm Alfred wütendes Zischen, ein Peitschen von
Schlangenleibern und Haplos
rauhe Stimme, die dem Hund Befehle zurief. Es drängte ihn,
einen Blick über die
Schulter zu werfen, um zu sehen, was vor sich ging, doch Samah in
Schach zu
halten erforderte seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
Unter Aufbietung
seiner gesamten, ihm zu Gebote stehenden Macht begann der Archont einen
neuen
Zauber zu wirken. Magie grollte in der Ferne, Runen
zuckten wie Blitze. Der
ungeheure, chaotische Sturm der Wahrscheinlichkeiten brach mit voller
Wucht
über Alfred herein.
Er fühlte sich
schwach…
Haplos einziges Ziel
war es, die Nichtigen zu retten, weiter gingen seine Pläne
nicht. Wozu die
Mühe? fragte er sich verbittert. Der Kampf war von vornherein
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