Drachenmagier
schauten zu, wie Alake ihren
Platz vor
dem Altar einnahm, den sie dort aufgebaut hatte. Es war ein
Vergnügen, sie zu
beobachten.
Alake ist groß und
wohlgestaltet. (Nebenbei bemerkt, habe ich nie die Menschen um ihre
Größe beneidet.
Ein altes Zwergensprichwort sagt: ›Je länger der
Stock, desto leichter zu
brechen.‹ Aber ich bewunderte Alakes anmutige Bewegungen,
wie ein schlanker
Halm im Wasser.) Ihre Haut ist schwarz wie Ebenholz. Das gleichfalls
schwarze
Haar trägt sie in zahllose dünne Zöpfe
geflochten, die ihr über den Rücken
hängen. Den Abschluß eines jeden bilden Perlen in
Blau und Orange (ihre
Stammesfarben) und aus Messing. Wenn sie geht, klingeln die Perlen
melodisch,
es hört sich an wie Hunderte von winzigen
Glöckchen.
Gekleidet war sie in
das Gewand ihres Volkes – ein raffiniert um den
Körper drapiertes
blauorangefarbenes Tuch. Die Phondraner sind wahre Meister in dieser
Kunst. Das
lose Ende der Stoffbahn liegt über der linken
Schulter, als Zeichen, daß sie
unverheiratet ist. Verheiratete Frauen tragen den Tuchzipfel rechts.
Silberne
Zeremonialreifen schmücken ihre Arme; an den Ohren
hängen silberne Glöckchen.
»Diese Armreifen habe
ich noch nie an dir gesehen«, sagte ich, um gegen die Stille
anzuplaudern, die
so furchtbar still war! »Gehören sie dir oder deiner
Mutter? Waren sie ein
Geschenk?«
Zu meiner Überraschung
gab Alake, die sonst gern ein neues Schmuckstück herumzeigt,
keine Antwort und
wandte das Gesicht ab.
Ich glaubte, sie hätte
mich nicht gehört. »Alake, ich habe gefragt,
ob…«
Devon rammte mir
seinen spitzen Ellenbogen zwischen die Rippen. »Pst!
Sei still!«
»Warum denn?« zischte
ich wütend. Um ehrlich zu sein, hatte ich es satt,
ständig auf Zehenspitzen herumzulaufen,
aus Rücksicht auf die Sensibilität meiner
Reisegefährten.
»Sie hat ihren
Meeresschmuck angelegt«, erwiderte Devon leise.
Ich war wie vor den
Kopf geschlagen. Natürlich hatte ich von dem Brauch
gehört. Bei der Geburt wird
ein Mädchen bei den Phondranern mit silbernen Armreifen und
Ohrgehängen
beschenkt, die sie bei ihrer Hochzeit tragen und eines Tages an ihre
Töchter
weitergeben soll. Stirbt das Mädchen jung, legt man ihr alle
Schmuckstücke an,
bevor man den Leichnam dem Segensmeer und dem Einen
übergibt.
Betroffen suchte ich
nach Worten, um meinen Ausrutscher wiedergutzumachen, aber was
ich auch sagte,
es würde den angerichteten Schaden nur noch
vergrößern. Also saß ich still,
wippte mit den Füßen und versuchte Interesse
für Alakes Tun aufzubringen.
Devon saß neben mir.
Die Möbel an Bord des Schiffes waren für Zwerge
gebaut, und ich empfand Mitleid
für den Elf, der zwischen seinen spitzen Knien auf dem
niedrigen Stuhl kauerte,
eingehüllt in die duftigen Falten von Sabias seidenem
Gewand.
Alake nahm sich endlos
viel Zeit, ihre Utensilien zu arrangieren, und sprach über
jedem einzelnen
Gegenstand lange Gebete.
»Wenn alle Menschen
wegen jeder Kleinigkeit einen solchen Sermon vom Stapel lassen,
möchte ich
wetten, daß der Eine schon vor langer Zeit sanft
entschlummert ist!« Ich bildete
mir ein, leise gesprochen zu haben, doch Alake warf mir prompt einen
schockierten Blick zu und runzelte entrüstet die Stirn.
Oha! Ich zerbrach mir
den Kopf, um ein etwas unverfänglicheres
Gesprächsthema zu finden, und als ich
Devon ansah, der Sabias Kleider trug, fiel mir wieder ein,
worüber ich mich
schon im Palast gewundert hatte.
»Wie ist es dir
gelungen, Sabia zu überreden, dich an ihrer Stelle gehen zu
lassen?« fragte ich
den Elfen.
Natürlich
stand ich nun auch mit dem zweiten Fuß im
Fettnäpfchen. Devon, der sich bemüht
hatte, wenigstens nach außen hin froh und wohlgemut
zu erscheinen, wurde
traurig und wandte sein Gesicht ab.
Alake kam zu mir gehuscht und kniff mich in den Arm.
»Mußt
du ihn an sie erinnern!«
»Autsch! Jetzt
reicht’s aber!« Ich verlor die Geduld.
»Ich soll nicht zu Alake über ihre
Ohrringe sprechen und mit Devon nicht über Sabia, ungeachtet
der Tatsache, daß
er ihre Sachen anhat und ausgesprochen lächerlich
aussieht in einem Kleid.
Nun, falls ihr beide es vergessen haben solltet, es ist auch meine
Beerdigung,
und Sabia ist meine Freundin. Wir haben versucht, uns vorzumachen, das
hier
wäre eine Ferienkreuzfahrt. Ist es aber nicht. Und es ist
Blödsinn, die Worte
im Bauch zu behalten, wie man bei uns zu sagen pflegt.
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