Drachenmagier
noch davon.
Nach diesem
mißglückten Versuch, als wir uns von dem Erlebnis
erholt hatten, beschloß
Alake, die Delphine zu rufen.
»Wir haben bisher
nicht einen zu Gesicht bekommen«, sagte sie,
»und das ist mehr als
ungewöhnlich. Ich möchte wissen, was los ist und
wohin wir unterwegs sind.«
Mir war es nicht
aufgefallen, aber als sie es erwähnte, wunderte ich mich auch,
daß wir noch
keine Fische gesehen hatten. Delphine sind
äußerst gesellig und geradezu
versessen auf Klatsch und Tratsch. Im allgemeinen tummeln sie
sich in Scharen
um jedes Schiff, betteln um Neuigkeiten und erzählen
ihren eigenen Kram jedem,
der dumm genug ist, ihnen zuzuhöhren.
»Und wie stellen wir
es an, sie… zu rufen?« erkundigte ich
mich.
Alake war erstaunt,
daß ich fragen mußte. Warum eigentlich?
Kein vernünftiger Zwerg käme auf den
Gedanken, eins von diesen Viechern zu rufen! Wir tun
alles, um sie
loszuwerden.
»Natürlich werde ich
Magie anwenden«, erklärte sie. »Und ich
möchte, daß ihr dabei seid.«
Ich muß zugeben, daß
ich aufgeregt war. Obwohl ich lange bei Elfen und Menschen gelebt
hatte, war
ich nie Augenzeugin ihrer magischen Rituale gewesen, und es
überraschte mich,
daß Alake uns dabeihaben wollte. Sie behauptete, unsere
›Energien‹ würden ihr
helfen. Ich persönlich war der Ansicht, sie hatte Angst und
wollte nicht
alleine sein, aber ich hielt den Mund.
Vielleicht sollte ich
die unterschiedlichen magischen Konzepte der Phandraner und Elmasti
schildern.
Und die Ansicht der
Zwerge.
Zwerge, Elfen und
Menschen glauben alle an den Einen, die starke Macht, die uns
in diese Welt
entläßt, die während unserer Zeit hier
über uns wacht und uns am Ende des Wegs
zu sich nimmt. Doch von dieser Gemeinsamkeit abgesehen, hat
jede Rasse ihre
eigene Vorstellung von dem Einen.
Das Credo von uns
Zwergen lautet: Alle Zwerge sind in dem Einen, und der Eine ist in
allen
Zwergen. Daraus folgt, daß jedes Ungemach eines einzelnen das
ganze Volk trifft
und auch den Einen – das ist der Grund, weshalb ein Zwerg
niemals absichtlich
einen anderen töten, betrügen oder
übervorteilen wird. (Kneipenschlägereien
sind natürlich etwas anderes. Ein gehöriger
Kinnhaken bei einer ehrlichen
Rauferei gilt als herzerfrischend und der Gesundheit
förderlich.)
Früher hielten wir
Zwerge uns für das einzig auserwählte Volk.
Was die Elfen und Menschen anging
– falls sie tatsächlich von dem Einen erschaffen
worden waren (manche von uns
glaubten, sie seien der Finsternis entsprungen wie Pilze),
dann höchstens aus
Versehen, oder sie waren die Kreaturen einer dem Einen feindlich
gesonnenen
Macht.
Eine lange Zeit der
Koexistenz lehrte uns, einander zu akzeptieren. Wir wissen jetzt,
daß alles
Leben in der Obhut des Einen steht (auch wenn manche
unbelehrbaren Großväter
daran festhalten, daß der Eine uns Zwerge liebt,
während er Elfen und Menschen
nur duldet).
Die Menschen glauben,
der Eine sei der Beherrscher aller Dinge, aber wie jeder andere ihrer
Häuptlinge beeinflußbar. Also
überhäufen ihn die Menschen mit Bitten,
Forderungen – und Beschwerden. Die Phondraner glauben auch,
der Eine habe
Diener, die den lästigen Kleinkram für ihn erledigen
und alles, was Er für
unter seiner Würde befindet. (Typisch Mensch!) Diese
Handlanger können von den
Menschen durch Magie gefügig gemacht werden, und nichts
bereitet den
Phondranern mehr Freude, als die Reihenfolge der Jahreszeiten zu
ändern, Winde
herbeizurufen, Regen zu beschwören und Feuer zu entfachen.
Die Elmasti haben ein
viel entspannteres Verhältnis zu ihrem Einen. Nach ihrer
Ansicht setzte der
Eine mit einem großen Knall die ganze Geschichte in
Gang und schaut jetzt von
einem bequemen Sessel aus zu, wie’s weitergeht. Nach
demselben Prinzip
funktioniert das glänzende, glitzernde, surrende, schnurrende
Spielzeug, um
das Alake und ich Sabia als Kinder glühend beneideten.
Für die Elfen ist Magie
nichts Geheimnisvolles oder Erhabenes, sondern schlicht ein
Mittel zur Unterhaltung
oder Arbeitsersparnis.
Obwohl sie erst
sechzehn Jahre alt war (nach
Zwergenmaßstäben ein Wickelkind, aber die
Menschen wachsen schnell heran), hielt man Alake für eine
vielversprechende
Zauberin, und ich wußte, daß es Delus
größter Wunsch war, ihrer Tochter den
Vorsitz des magischen Zirkels zu übergeben.
Devon und ich standen
im unbenutzten Laderaum auf Deck 2 und
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