Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachenmagier

Titel: Drachenmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
Vom Netzwerk:
Sarkophage. Der meine war leer, und ich weiß
noch, wie ich
dachte: ›Ich brauche nur hineinzusteigen, die Augen zu
schließen, und die Qual
hat ein Ende. ‹ Ja, Selbstmord«, nickte Alfred
ernst, als er Orlas
erschütterten Gesichtsausdruck bemerkte.
»Ich war an einen Scheidewege gelangt,
wie die Menschen sagen. Die Zeit des Selbstbetrugs war
vorüber, ich mußte
akzeptieren, daß ich als einziger überlebt hatte und
fortan allein sein würde.
Ich konnte entweder hinausgehen und mich dem Leben stellen oder es
wegwerfen.
Es war ein hartes Ringen. Zu guter Letzt nahm ich Abschied von
allem, das ich
gekannt und geliebt hatte, und tat den Schritt ins Ungewisse.
    Es war eine
schreckliche Erfahrung. Mehr als einmal dachte ich daran aufzugeben,
mich in
die Katakomben zu flüchten und dort zu bleiben.
Ständig verfolgte mich die
Angst, die Nichtigen könnten meine magischen Kräfte
entdecken und versuchen,
mich für ihre Zwecke zu mißbrauchen.
Während ich zuvor in der Vergangenheit
gelebt und Trost in meinen Erinnerungen gefunden hatte, sah ich jetzt,
daß
genau darin die größte Gefahr lag. Ich
mußte die Erinnerungen an früher
verdrängen, um nicht immer wieder in alte Gewohnheiten
zurückzufallen oder
unwillkürlich von meiner Magie Gebrauch zu machen. Ich
mußte mich der
Lebensweise der Nichtigen anpassen. Ich mußte einer der Ihren
werden.«
    Alfred verstummte und
schaute in den nächtlichen Himmel, über dessen tiefe
Bläue helle blaue Schleierwolken
zogen.
    »Du machst dir keine
Vorstellung von der Einsamkeit«, sagte er
schließlich, so leise, daß Orla
gezwungen war, sich zu ihm zu neigen, um die Worte verstehen zu
können.
    »Die Menschen sind so
unglaublich allein. Der spirituelle Weg der Kommunikation ist
ihnen versagt.
Sie haben nur Worte oder Blicke oder Gebärden, um
mitzuteilen, was sie
fühlen, und ihre Sprachen sind so
unzulänglich. Meistens gelingt es ihnen
nicht auszudrücken, was sie wirklich meinen, und so leben und
sterben sie, ohne
je die Wahrheit zu kennen, weder über sich noch über
andere.«
    »Wie tragisch«,
murmelte Orla.
    »So dachte ich zuerst
auch«, antwortete Alfred. »Aber dann begriff ich,
daß viele der Tugenden der
Nichtigen aus dieser Unfähigkeit erwachsen sind, einander ins
Herz zu sehen,
wie wir Sartan es tun. Ihre Sprachen enthalten Worte wie
›Glaube‹, ›Vertrauen‹,
›Ehre‹. Ein Mensch sagt zu einem anderen:
›Ich glaube an dich. Ich vertraue
dir.‹ Er weiß nicht, was in seinem Freund vorgeht,
er vermag nicht, in ihn
hineinzusehen. Und doch vertraut er ihm.«
    »Sie haben auch noch
andere Worte, die es bei uns Sartan nicht gibt«, sagte Orla
hart. Sie ließ
seine Hand los und trat von ihm zurück. »Zum
Beispiel ›Täuschung‹,
›Lüge‹,
›Verrat‹.«
    »Ja«, stimmte Alfred
demütig zu, »aber bei genauerem Hinsehen
stellt man fest, daß sich alles
irgendwie ausgleicht.«
    Er hörte ein Winseln,
fühlte eine kalte, feuchte Nase gegen sein Bein stupsen.
Geistesabwesend
kraulte er dem Hund die Ohren und tätschelte ihm den Kopf, um
ihn ruhig zu
halten.
    »Ich
fürchte, du hast vorhin recht gehabt. Für mich klingt
das fremd, fast ketzerisch.«
Orla schüttelte den Kopf. »Was meinst du mit ausgleichen!«
    Alfred schien es fast so schwerzufallen wie einem
Nichtigen, seine Gedanken in Worte zu fassen. »Ich meine
– ich wollte sagen…
Nun ja, ich habe einen Nichtigen einen anderen
betrügen gesehen, und ich war
schockiert und betroffen. Aber gleich darauf war ich Zeuge einer Tat
selbstloser Liebe, der Aufopferung und des Vertrauens. Und ich war
beschämt,
weil ich mich vorschnell zu ihrem Richter aufgeworfen hatte.
    Orla…« Er wandte sich
ihr zu. Der Hund drängte sich auffordernd an ihn, und er
kraulte weiter das
seidige Fell. »Was gibt uns das Recht, sie zu verurteilen?
Was gibt uns das
Recht zu behaupten, daß unsere Art zu leben die einzig
richtige ist und ihre
falsch? Was gibt uns das Recht, ihnen unseren Willen
aufzuzwingen?«
    »Allein schon die
Tatsache, daß die Nichtigen Worte haben wie
›Mord‹ und
›Hinterlist‹!« erwiderte
sie. »Es ist an uns, sie mit fester Hand zu leiten, weg von
diesen unwürdigen
Schwächen und hin zur Förderung ihrer
Stärken.«
    »Aber ist es nicht
vielleicht möglich«, wandte Alfred ein,
»daß ihnen durch unsere Einmischung und
Lenkung beides abhanden kommt – sowohl Schwächen als
auch Stärken?

Weitere Kostenlose Bücher