Drachenmagier
irgendwas passiert«, versprach ich. »Du willst ihm
doch nicht verquollen und
übernächtigt unter die Augen treten,
oder?«
Damit war die Sache
entschieden. Alake wünschte uns gute Nacht, warf einen letzten
Blick auf ihren
Patienten und entfernte sich versonnen lächelnd.
»Was tun wir bloß?«
fragte Devon, als sie verschwunden war.
»Woher soll ich das
wissen?«
»Nun, du bist ein
Mädchen. Du kennst dich mit so etwas aus.«
»Was meinst du mit so
etwas?« Ich konnte mir nicht verkneifen zu fragen, obwohl ich
genau wußte,
worauf er hinauswollte.
»Das sieht doch ein
Blinder. Sie ist verliebt in ihn.«
»Ach was! Ich kann
mich erinnern, wie sie einmal einen jungen Wolf gerettet hat.
Sie nahm ihn mit
nach Hause und benahm sich genauso närrisch, bis sie ihn
wieder aufgepäppelt
hatte.«
»Diesmal ist es kein
Wolfsjunges«, gab Devon zu bedenken. »Der
Mann ist jung und stark und
ansehnlich und von kräftiger Statur. Alake und ich hatten
Mühe, ihn auf dem Weg
den Gang hinunter zu stützen.«
Das nächste Problem.
Wenn dieser Mensch überschnappte und auf die Idee
kam, das Schiff zu zertrümmern,
standen wir auf ziemlich verlorenem Posten. Und was war mit den
Drachenschlangen? Wir befanden uns immer noch in ihrer Macht, das
Schiff folgte
unverändert dem von einem fremden Willen bestimmten
Kurs. Wußten sie von der
Anwesenheit dieses Fremden an Bord? Waren sie erzürnt, oder
kümmerte es sie
nicht?
Ich nahm einen kleinen
Schluck aus der Flasche. »Geh schlafen«, sagte ich
mürrisch zu Devon. »Heute
nacht fällt uns bestimmt nichts Gescheites mehr ein.
Vielleicht passiert morgen
früh was.«
Ich sollte recht
behalten. Devon ging, ich kehrte ins Krankenzimmer zurück und
setzte mich in
einen dunklen Winkel dicht bei der Tür. Falls der
Fremde aufwachte, konnte
ich draußen sein, bevor er wußte, was
geschah.
Er warf sich ruhelos
im Schlaf hin und her und murmelte unverständliches
Zeug, wahrscheinlich in
seiner eigenen Sprache, deren Worte mir düster vorkamen,
befrachtet mit Haß und
Wut. Ab und an stöhnte er, einmal fuhr er mit einem
furchtbaren Aufschrei in
die Höhe und starrte mich an. Ich war halb aus der
Tür, bevor ich merkte, daß
er mich überhaupt nicht wahrnahm.
Er legte sich hin, und
ich nahm meinen Platz wieder ein. Noch immer bewegte er sich unruhig,
krallte
die Hände in die Decken und wiederholte unablässig
ein und dasselbe Wort. Es
hörte sich an wie ›Hund‹.
Zwischendurch stöhnte er vor Schmerzen,
schüttelte
heftig den Kopf und rief: »Herr!«
Endlich fiel er
erschöpft in einen tiefen Schlummer. Man wird hoffentlich
Verständnis
aufbringen, wenn ich gestehe, die Flamme des Mutes in meinem Herzen
durch
reichliche Gaben Branntwein in Gang gehalten zu haben.
Ich hatte keine Angst
mehr vor ihm. (Um ehrlich zu sein, befand ich mich in einem Zustand
branntweinseliger
Gleichgültigkeit.) Während ich zusah, wie der Fremde
tief und fest schlief,
faßte ich den Beschluß, soviel wie möglich
über ihn in Erfahrung zu bringen,
vielleicht seine Taschen zu durchsuchen, falls er welche hatte.
Mit einiger Mühe kam
ich auf die Füße, tappte zu dem Schlafenden
hinüber und kniete mich hin. Was
ich sah, machte mich schneller wieder nüchtern, als das
Schwarzwurzelpulver
meiner Mutter.
Ich weiß nicht, was
dann geschah, nur daß ich den Gang hinunterlief und kreischte
wie eine Irre.
Alake erschien im
Nachthemd in der Tür ihrer Kabine und starrte mir entsetzt
entgegen. Devon kam
aus seiner Koje geschossen, als stünde sie in
Flammen. Er mußte in seinem
Kleid geschlafen haben. Armer Kerl. Sabias Gewand war alles, was er an
Kleidung
mitgebracht hatte.
»Wir haben dich
schreien gehört! Was ist los?« Beide hielten mich
gepackt. »Nun sag schon!«
»Der Fremde!« Ich rang
nach Atem. »Er ist – ganz blau!«
Mit dem Aufschrei: »Er
stirbt!« stürzte Alake zum Krankenzimmer, wir
rannten hinterher, im letzten Moment
griff Devon nach seinem Schleier und warf ihn über.
Mein Geschrei wird den
Mann geweckt haben. (Devon erzählte mir später, er
habe geglaubt, sämtliche Drachenschlangen
Chelestras seien hinter mir her.) Jedenfalls saß er
in seinem Bett und starrte
auf seine Hände und Arme, als könne er nicht glauben,
daß sie ihm gehörten.
Durchaus verständlich.
Wäre mir so etwas zugestoßen,
hätte ich es auch nicht geglaubt. Wie soll ich
es beschreiben? Ich weiß, es ist kaum
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