Drachenmagier
singen. Aber seine
Stimme klang flach und brüchig. Seine Hände
gestikulierten ziellos, und seine
Füße gehorchten ihm nicht. Samah stolperte,
unbeholfen wie ein Nichtiger, auf
rätselhafte Weise seiner Magie beraubt.
Orla versuchte ihm
beizustehen, doch auch ihr verweigerte der Körper den
Gehorsam. Die übrigen
Ratsmitglieder torkelten umher oder wateten taumelnd durchs
Wasser, wie
trunkene Gäste einer ausgelassenen Feier.
Allein kauerte Samah
im Sand und kämpfte gegen die Furcht. Er war sicher, gleich
eines grausamen
Todes zu sterben.
»Wo seid ihr hergekommen?«
rief er in verbitterter Resignation. »Wer hat euch
erschaffen?«
»Ihr wart es«, kam die
Antwort.
Die schrecklichen
Bilder lösten sich auf, Alfred fühlte sich wie aus
einem Alptraum erwacht. Und
er hatte das Grauen nur aus zweiter Hand erlebt! Wie mochte es
für die gewesen
sein, die die Realität ertragen mußten.
»Aber die
Drachenschlangen haben uns an jenem Tag nicht getötet, wie du
vielleicht
erraten hast«, sprach Samah weiter.
Er hatte die
Geschichte in ruhigem Ton erzählt, aber das ihm eigene
arrogante, selbstbewußte
Lächeln wirkte dünn und verkniffen. Die Hand
auf der marmornen Tischplatte
zitterte leicht. Orla war die Farbe aus dem Gesicht gewichen. Einige
der
Ratsmitglieder erschauerten, einer ließ den Kopf in
die Hände sinken.
»Es dauerte nicht
lange, bis der Tod uns wie eine Erlösung
vorkam«, fuhr Samah leise fort, als
spräche er zu sich selbst. »Die Scheusale machten
sich einen Spaß daraus, uns
zu demütigen. Sie hetzten uns am Ufer hin und her, wenn einer
hinfiel, packten
ihn gewaltige, zahnlose Kiefer und stellten ihn wieder auf die Beine.
Schließlich, als wir am Ende unserer Kräfte waren
und nicht mehr laufen
konnten, lagen wir im nassen Sand und warteten auf den Tod. Unsere
Peiniger
aber verschonten uns und kehrten ins Meer
zurück.«
»Doch sie kamen in
größerer Zahl wieder«, nahm Orla den Faden
auf. Ihre Hände strichen über den
Tisch, als wolle sie die bereits makellose Oberfläche
polieren. »Sie griffen
die Stadt an, zuerst die Bezirke der Nichtigen. Mit ihren
gewaltigen Leibern walzten
sie Mauern nieder, brachten Häuser zum Einsturz. Fliehende
wurden getötet oder
eingefangen, gefoltert, verstümmelt. Dank unserer magischen
Fähigkeiten
vermochten wir, ihnen standzuhalten, geraume Zeit, aber dann bekam die
magische
Abwehr Risse und begann zu bröckeln, wie die
runenbeschrifteten Mauern um
unsere Stadt.«
»Aber wie ist das
möglich?« Alfred sah fassungslos von einem zum
anderen. »Welche besondere Macht
haben diese Kreaturen?«
»Gar keine. Sie haben
ihre Schutzzauber und widerstehen unserer Magie besser als
jedes andere Lebewesen,
das wir kennen, aber es war nicht die Macht der Drachen, die uns am
Ufer die
Kraft geraubt hatte. Das Meerwasser war schuld.«
Alfred schnaufte
verdutzt. Der Hund hob den Kopf und spitzte die Ohren. Während
des langen
Geredes von Drachen und Schlangen war er eingeschlafen, jetzt aber
setzte er
sich interessiert auf.
»Wie kann das sein,
wenn diese ganze Welt eure Schöpfung ist und also auch das
Meerwasser?«
»Wer weiß? Wir sollen
ja auch die Drachenschlangen erschaffen haben.« Samah
stieß ein bitteres Lachen
aus. Er musterte Alfred prüfend. »Du bist nicht in
anderen Welten ähnlichen
Wesen begegnet?«
»N-nein. Drachen
schon, aber sie ließen sich immer durch Magie beherrschen,
sogar von den
Nichtigen.« Er verstummte. »Wenigstens schien es
so«, fügte er dann
nachdenklich hinzu.
»Das Wasser, dieser
Ozean, den wir ›Segensmeer‹ nannten, hat eine
verheerende Wirkung auf unsere Magie.
Es macht sie unwirksam. Bis heute können wir uns nicht
erklären, wie oder
warum. Wir wissen nur, daß ein Tropfen Meerwasser auf unserer
Haut eine
Kettenreaktion auslöst, die unser
Runengefüge zerstört, bis wir hilflos sind,
hilfloser als Nichtige.
Das war der Grund,
weshalb wir zu guter Letzt den Exodus der Nichtigen ins Segensmeer
befahlen.
Die Meersonne hatte ihre Bahn geändert und entfernte sich von
uns. Wir besaßen
nicht mehr die Macht, dem Einhalt zu gebieten, all unsere
Magie wurde für den
Kampf gegen die Drachenschlangen gebraucht. Die Nichtigen sollten der
Meersonne
folgen, die Meermonde besiedeln. Wale, Delphine und andere
Geschöpfe der
Tiefe, mit denen die Nichtigen sich angefreundet hatten, zogen
mit ihnen, um
sie vor den Ungeheuern zu
Weitere Kostenlose Bücher