Drachenmagier
Tätowierungen traten immer deutlicher hervor, seine
magischen Kräfte kehrten
zurück. Weniger erfreulich war, daß die Sigel ein
schwaches blaues Leuchten
verströmten und ein schmerzhaftes Prickeln über
seinen Körper lief – die
Warnung vor Gefahr, die noch weit entfernt war, doch rasch
näher kam.
Die Drachenschlangen.
Kein Zweifel.
Es kam Haplo vor, als
machte das Schiff mehr Fahrt. Es rollte und stampfte, ein starkes
Vibrieren
durchzitterte den Rumpf.
»Ich könnte Grundel
fragen. Sie weiß es bestimmt«, brummte Haplo vor
sich hin.
Überhaupt sollte er
mit den Nichtigen reden, ihnen sagen, daß sie sich dem
Schlupfwinkel der
Drachen-schlangen näherten; sie auffordern, sich
vorzubereiten…
Worauf? Auf den Tod?
Devon, der schlanke,
feingliedrige Elf, hatte sich mit der ausgeliehenen Streitaxt fast
enthauptet.
Alake hatte ihre
Magie, aber was war das schon! Kaum mehr als
Zauberkunststückchen, die im
Labyrinth jedes kleine Kind beherrschte. Gegen die Übermacht
der
Drachenschlangen nutzten sie so viel wie Abzählreime.
Grundel. Haplo mußte
lächeln und schüttelte den Kopf. Wenn jemand von
diesen Nichtigen imstande war,
die Drachenschlangen Mores zu lehren, dann Grundel. Sie würde
sich vor lauter
Sturheit weigern zu sterben.
Auf jeden Fall mußte
er ihnen Bescheid sagen und eventuell ein paar
Ratschläge geben. Er setzte
sich auf.
»Nein«, sagte er
plötzlich und ließ sich wieder
zurückfallen. »Für heute habe ich
die Nase voll
von Nichtigen.«
Was im Namen des
Labyrinths war in ihn gefahren, ihnen dieses blödsinnige
Versprechen zu geben?
Verhindern, daß ihnen ein Leid geschieht! Er konnte
sich verdammt glücklich
schätzen, wenn es ihm gelang, selbst am Leben zu bleiben.
Er ballte die Hände zu
Fäusten und studierte die über Knochen und Sehnen
straf gespannten Sigel, dann
hob er die Arme und musterte die klar modulierten Linien und
Wölbungen der
Muskeln unter der tätowierten Haut.
»Instinkt. Derselbe
Instinkt, der meine Eltern veranlaßte, mich im
Unterholz zu verstecken und die
Snogs von mir wegzulocken. Der Instinkt, jene zu beschützen,
die schwächer sind
als wir; der Instinkt, der es meinem Volk ermöglichte, im
Labyrinth zu
überleben!«
Er sprang aus dem Bett
und wanderte in der kleinen Kabine auf und ab. »Mein
Fürst würde es verstehen«,
beruhigte er sich. »Mein Fürst denkt ebenso. Jeden
Tag seines Lebens kehrt er
ins Labyrinth zurück, um erneut den Kampf aufzunehmen, um
seine Kinder, sein
Volk zu verteidigen und zu schützen. Es ist eine vollkommen
natürliche Emotion,
wenn auch verdammt unpraktisch!«
Haplo hatte an andere,
wichtigere Dinge zu denken, als drei halbflügge Nichtige am
Leben zu erhalten.
Das vermaledeite Meerwasser, das ihm die Magie von der Haut wusch,
schneller
und gründlicher als normales Wasser den Schmutz. Und das
Versprechen der Drachenschlangen.
Wenigstens nahm er an,
daß es ein Versprechen war.
Samah. Der berühmte
Samah. Haupt des Rats der Sieben. Der Archont, Initiator der
Großen Teilung,
verantwortlich für die Niederlage der Patryn, ihre
Einkerkerung und
Jahrhunderte des Leids.
Archont Samah. Vieles
war im Labyrinth gestorben, aber nicht dieser Name. Von Generation zu
Generation hatte man ihn weitergereicht, mit dem letzten Atemzug der
Vater an
den Sohn, begleitet von einem Fluch die Mutter an die Tochter. Samah
war bei
seinen Feinden nie in Vergessenheit geraten, und der Gedanke, diesen
Samah
lebend anzutreffen, erfüllte Haplo mit
unbeschreiblicher Wonne. Es kam ihm
nicht in den Sinn, sich zu wundern, wie das möglich sein
könnte.
»Ich werde Samah
fangen und meinem Gebieter bringen – ein Geschenk,
das all meine früheren
Fehler aufwiegt. Der Fürst wird dafür
sorgen, daß Samah bezahlt, teuer bezahlt
für jede im Labyrinth vergossene Träne, für
jeden Tropfen Blut. Ein Leben lang
wird er zahlen. Seine Tage werden angefüllt sein mit Schmerz,
Folter, Angst;
seine Nächte mit Grauen, Entsetzen, Qual. Keine Ruhe. Kein
Schlaf. Kein
Frieden, außer im Tod. Und bald, sehr bald wird Samah den Tod
herbeisehnen.«
Aber der Fürst des
Nexus würde ihn nicht sterben lassen. Leben sollte
er, lange…
Lautes Hämmern gegen
die Tür riß Haplo aus seinen blutigen
Wunschträumen. Es war schon mehrmals angeklopft
worden, doch in seinen Ohren hallte der Donner der Rache, und
er hatte nichts
gehört.
»Wir sollten ihn nicht
Weitere Kostenlose Bücher