Drachenmeister
befestigte er geschickt die Kopfriemen. Das Tier schnaubte ein wenig verblüfft. Noch verblüffter war jedoch Piemur, dass er sich nach all den Jahren noch an
die kleinen Tricks erinnerte. Die Satteldecke war im Nu festgeschnallt. Er nahm das Halfter und führte den Renner aus der Box in den Korridor. Menolly erwartete ihn bereits. Kritisch musterte sie sein Werk.
»Er hat alles richtig gemacht«, meinte Banak und nickte ihm anerkennend zu. Dann verabschiedete er sich und verschwand in der Tiefe der Höhle, um seine eigenen Arbeiten zu erledigen.
Es war lange her, seit Piemur auf einem Renner gesessen hatte. Zum Glück hatte Banak ihm ein sanftmütiges Tier ausgesucht, und es trabte mit braven, gleichmäßigen Schritten dahin, als Menolly ihren Renner auf die Straße nach Norden lenkte.
Beinahe unbewusst nahm Piemur die Sattelhaltung an, die er in seiner Kindheit gelernt hatte; während er das linke Bein bis zum Steigbügel nach unten streckte, presste er das Knie des rechten Beins fest gegen die Flanke des Tieres. Auf diese Weise spürte er nur an einer Sitzbacke das harte Auf und Ab. Geübte Reiter pflegten in regelmäßigen Abständen das Gewicht zu verlagern, damit sie keinen Muskelkater bekamen. Piemur beobachtete Menolly und fand, dass sie nicht schlecht im Sattel saß. Schließlich war sie am Meer aufgewachsen und hatte bestimmt mehr mit Booten als mit Rennern zu tun gehabt. Andererseits war sie oft für Meister Robinton unterwegs und bekam so Gelegenheit, ihre Reitkünste zu üben.
Piemur sprach auf dem ganzen Weg nicht ein Wort. Sie näherten sich dem Hafen von Fort, aber er hätte sich eher die Zunge abgebissen als Menolly gefragt, was sie dort suchten. Er bezweifelte, dass der Zweck des Rittes allein darin bestand, sein Geschick mit Rennern oder seine Verschwiegenheit zu prüfen. Und was hatte sie gemeint, als sie sagte, es sei leichter, einen zweiten Reiter mitzunehmen, als ein Tier am Zügel hinterherzuführen? Diese selbstsichere, kurzangebundene Harfnerin war ein ganz anderes Mädchen als Menolly, die ihm erlaubte, ihre Echsen zu füttern. Wie weit lagen die Zeiten zurück, als sie vor
drei Planetenumläufen schüchtern und ängstlich in die Harfnerhalle gekommen war?
Sobald sie die Burg am Meer erreicht hatten, warf ihm Menolly die Zügel ihres Renners zu, befahl ihm, die beiden Tiere zum Stallmeister zu bringen, ihnen die Sattelgurte zu lockern und sie mit Wasser und Futter zu versorgen. Während Piemur die Renner wegführte, sah er noch, wie sie an die Kaimauer trat, eine Hand über die Augen legte und zum östlichen Horizont spähte. Weshalb wartete sie auf ein Schiff? Oder stand das alles im Zusammenhang mit der Botschaft von Ista, die er gestern Morgen vernommen hatte?
Der Stallmeister begrüßte ihn freundlich und half ihm, die Tiere zu füttern.
»Ihr reitet vermutlich gleich zur Gildehalle zurück, sobald das Schiff angelegt hat«, sagte der Mann. »Dann werde ich mal vorsorglich Sebells Renner satteln. Wenn du die beiden hier abgerieben hast, kannst du bei meiner Frau vorbeischauen. Burschen in deinem Alter haben immer Hunger, stimmt’s? Und hier am Meer gibt es sogar bei Fädeneinfall genug zu essen.«
Als Menolly sich wenig später zu ihnen gesellte, lud er auch sie zum Essen ein. Piemur hatte inzwischen den kleinen Punkt weit draußen auf dem Meer entdeckt. Er wusste, dass ihm Zeit genug bleiben würde, die Sitzmuskeln zu entspannen und nebenher tüchtig zu essen.
Sebell hatte also einen Renner hier untergestellt? Und er kehrte mit einem Schiff heim? Das legte den Schluss nahe, dass der Harfner auch von hier zu seiner Reise aufgebrochen war. Piemur dachte nach, wie lange er Sebell nicht mehr in der Harfnerhalle gesehen hatte, aber er konnte es nicht genau sagen.
Der Hafen befand sich an einer natürlichen Meeresbucht und so konnte das Schiff bis zum steinernen Pier segeln. Matrosen befestigten die dicken Haltetaue sorgfältig an Holzpfosten in der Kaimauer. Sebell ließ sich nicht sofort sehen, aber als
Piemur einen Blick auf Menollys Echsen warf, die ihre übermütigen Kreise am Himmel zogen, entdeckte er gegen das Sonnenlicht zwei golden schimmernde Königinnen, Sebells Kimi und Menollys Prinzesschen. Es wimmelte von Menschen, die das Schiff entluden, und Piemur sah Sebell erst, als er direkt vor ihnen stand, schwer beladen mit Bündeln und Taschen. Ein Matrose legte vorsichtig zwei prall gefüllte Säcke neben ihm ab. Genug Zeug, um einen Renner damit zu beladen, stellte
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