Drachenmeister
er aufwachte, ließ ihm Dirzan gerade Zeit genug für einen Becher Klah und ein Fleischbrot, dann fragte er ihn ab.
Zu Dirzans Verblüffung konnte Piemur die Rhythmen perfekt. Er hatte auf dem langen Ritt Zeit genug gefunden, sich alles einzuprägen. Zur Belohnung gab ihm Dirzan eine neue Liste zum Lernen mit.
Die Wirkung der Heilsalbe hatte nachgelassen, und Piemur empfand es als eine Qual, auf dem harten Hocker zu sitzen. Er
war völlig wund gescheuert, was er einmal dem langen Ritt, zum anderen aber der steifen neuen Hose zu verdanken hatte. Er nahm die Schmerzen als Vorwand, nach dem Essen Meister Oldive aufzusuchen. Obwohl Sebells Säcke in Meister Oldives Räumen standen und sogar einige Kräuter auf dem Tisch ausgebreitet lagen, konnte Piemur dem Heiler keine neuen Informationen entlocken. Er erfuhr nicht einmal, ob es sich um die erste Ladung von Medizinkräutern aus dem Süden handelte. Was er allerdings erfuhr, war, dass wund geriebene Stellen noch mehr brannten, wenn man sie behandelte, als wenn man darauf saß. Zum Glück begann die Heilsalbe wieder zu wirken. Meister Oldive meinte, er solle ein paar Tage ein Kissen als Sitzunterlage benutzen, eine ältere, weiche Hose tragen und Silvina um ein Mittel zum Nachgerben des steifen Wherleders bitten.
Kaum war er zu den Trommelhöhen zurückgekehrt, da musste er eine Botschaft zu Baron Groghe von Fort bringen, und als er wiederkam, befahl man ihm, die Wache zu übernehmen.
Er sah Menolly und Sebell am nächsten Morgen, als er beim Füttern der Echsen half, aber abgesehen von ein paar besorgten Fragen nach seinen steifen Muskeln zeigten sich die beiden nicht sonderlich gesprächig.
Am Tag darauf war Sebell verschwunden, und Piemur wusste nicht, wann oder wie er die Harfnerhalle verlassen hatte. Er konnte jedoch von den Trommelhöhen aus das Treiben auf der Burg Fort beobachten. Reiter auf Rennern kamen und gingen, zwei Drachen landeten, und eine Unzahl von Feuerechsen flitzten hin und her. Ihm kam der Gedanke, dass er seine Umgebung hier droben noch viel besser beobachten konnte als in der Harfnerhalle und dass er Dinge sah, die ihm bis jetzt völlig verborgen geblieben waren.
An diesem Nachmittag trafen mehrere Botschaften ein, zwei aus dem Norden und eine von Süden. Drei gingen hinaus: eine als Antwort auf Tilleks Frage vom Norden; eine Nachricht an
die Gerberhalle von Igen und eine an Briaret, den Herdenmeister. Zu Piemurs Pech wurden die Botschaften so rasch durchgegeben, dass er nur Bruchstücke davon verstand. Wütend darüber, dass ihm hier vielleicht wichtige Dinge entgingen, setzte er sich hin und lernte das doppelte Pensum an Trommelrhythmen. Dirzan reagierte mit Staunen auf seinen Eifer, die übrigen Lehrlinge allerdings zeigten sich verärgert. Und sie benutzten schlagkräftige Argumente, um ihm den Fleiß auszutreiben. Piemur, der sich stets darauf verlassen hatte, dass er bei einem Streit schneller laufen konnte als seine Gegner, musste entdecken, dass es hier auf den Trommelhöhen keine Ausweichmöglichkeiten gab. Während er heimlich seine blauen Flecken behandelte, lernte er verbissen weiter, behielt jedoch die neuen Erkenntnisse für sich. Die erste Lektion, die er begreifen musste, bestand darin, dass die geforderte Verschwiegenheit wohl für die verschiedensten Bereiche galt.
So atmete er erleichtert auf, als er sechs Tage später den Befehl erhielt, eine Botschaft zu einer Erzmine an einem schwer zugänglichen Hang des Fort-Gebirges zu bringen. Eine versiegelte Pergamentrolle der Harfnerhalle unter den Arm geklemmt, begab er sich zu den Ställen und erhielt denselben Renner, den ihm Banak auch für den ersten Ritt ausgewählt hatte.
Vorsichtig schwang sich Piemur in den Sattel; er stellte zu seiner Erleichterung fest, dass er keine Schmerzen spürte. Auch die lederne Hose war inzwischen so weich, dass sie nicht mehr an den Schenkeln rieb. Banak hatte ihm den Weg genau beschrieben und gemeint, der Ritt werde an die drei Stunden dauern. Anfangs war Piemur ein wenig ungeduldig, weil sich der Renner strikt weigerte, seine Gangart zu beschleunigen, aber später, als sie die breite Straße verließen und auf einem schmalen Felsenpfad dicht neben tiefen Schluchten dahinritten, empfand er Dankbarkeit, dass sein Tier brav und vorsichtig Fuß vor Fuß setzte. Da er sich ausrechnen konnte, dass der Wachdrache von Fort das unwegsame Gelände in wenigen Augenblicken überquert
hätte und sein Reiter dem Meisterharfner bestimmt gern gefällig
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