Drachenmeister
Nichts auf und instinktiv zog Piemur den Kopf ein. Menolly lachte über seinen Reflex. Ein dritter und ein vierter Drache zeigten sich, während Canth zum Gleitflug in die Tiefe ansetzte. Als er in der Kesselmulde landete und seine Menschenfracht absetzte, wimmelte es in der Luft von Drachen. Piemur wunderte sich, weshalb die Drachen, die jetzt in großen Scharen auftauchten, nicht am Himmel zusammenstießen.
Prinzesschen, Kimi, Rocky und Taucher erschienen dicht über Menollys Kopf und umkreisten sie aufgeregt; plötzlich gesellten sich zu ihnen fünf weitere Echsen, die Piemur noch nie zuvor gesehen hatte. Als Menolly besorgt meinte, sie müsste die
Kleinen irgendwie füttern, ehe sie den Weyr in Aufruhr versetzten, gab F’nor ihr lachend den Rat, sich an Mirrim zu wenden. Höchstwahrscheinlich sei sie im Küchengewölbe, um die Festvorbereitungen selbst zu überwachen. Sebell versetzte Piemur einen kleinen Rippenstoß und der Junge bedankte sich hastig bei F’nor und seinem Drachen für den Ritt. Dann gingen die drei Harfner quer durch den Kessel auf die hell erleuchteten Wirtschaftsräume zu.
Der würzige Duft von Klah und Griesbrei beschleunigte ihre Schritte. Menolly ging voraus und steuerte auf den kleinsten Herd zu, der sich abseits vom Lärm und von der Hast der großen offenen Feuerstellen befand.
»Mirrim?«, rief sie, und das Mädchen am Herd drehte sich um. Ihre Züge erhellten sich, als sie die Neuankömmlinge sah.
»Menolly! Hast du es rechtzeitig geschafft? Und Sebell! Wie geht es dir? Und wo kommst du her? Du bist ja ganz braun gebrannt. Wer ist das hier?« Ihr Lächeln fror ein, als habe ein einfacher Lehrling nichts in dieser vornehmen Gesellschaft verloren.
»Mirrim, darf ich dich mit Piemur bekannt machen? Ich habe dir schon oft von ihm erzählt.« Menolly legte Piemur eine Hand auf die Schulter und schob ihn ein Stück nach vorne. »Er war mein erster Freund in der Harfnerhalle, so wie du meine erste Freundin hier im Weyr warst. Wir kommen alle zusammen von dem großen Fest in Igen. Gestern im eigenen Saft geschmort, heute halb erfroren und am Verhungern!« Menolly seufzte in gespielter Verzweiflung.
»Warum sagst du das nicht gleich!« Mirrim unterbrach die strenge Musterung, der sie Piemur unterworfen hatte, und wandte sich dem Herd zu. Sie füllte Tassen und Schüsseln und brachte alles an einen der kleinen Tische. Dabei zeigte sie so große Bereitwilligkeit, dass Piemur seinen ersten, nicht gerade schmeichelhaften Eindruck von ihr revidierte. »Ich kann euch nicht lange Gesellschaft leisten. Ihr wisst ja, was es in einem Weyr
zu tun gibt, wenn eine Gegenüberstellung bevorsteht. Um die wichtigen Dinge muss man sich immer selbst kümmern, sonst läuft alles schief.« Sie ließ sich mit übertriebener Erleichterung auf einen Stuhl plumpsen. Man spürte geradezu die schwere Verantwortung, die ganz allein auf ihren Schultern lastete. Dann fuhr sie sich mit beiden Händen durch die Stirnfransen und vergewisserte sich, ob die langen dunklen Zöpfe noch straff genug geflochten waren.
Piemur betrachtete sie mit einer gewissen Skepsis; als er jedoch merkte, dass Menolly und Sebell ihrem Gehabe keinerlei Beachtung schenkten und sich in ihrer Gesellschaft wohlzufühlen schienen, gelangte er zu dem Schluss, dass in dem Mädchen mehr stecken musste, als man ihr äußerlich ansah.
In diesem Moment landete Prinzesschen auf Menollys rechter Schulter und zeterte erbost. Ihre Augen funkelten rötlich. Taucher ließ sich auf der linken Schulter nieder und Kimi flog zu Sebell. Zu Piemurs großem Stolz flatterte Rocky auf seine Schulter.
»Ist das nicht Rocky?«, fragte Mirrim und wies anklagend zu Piemur, als habe er nicht das geringste Recht auf eine Feuerechse.
»Genau«, lachte Menolly. »Weißt du, Piemur hilft mir jeden Morgen beim Füttern der hungrigen Schar. Deshalb erinnert ihn Rocky jetzt an seine Pflichten.«
»Was - die Kleinen sind hungrig?« Mirrim sprang auf und schüttelte missbilligend den Kopf. »Also, wirklich, Menolly, du vernachlässigst deine Freunde!«
Sebell und Menolly lächelten schuldbewusst, während Mirrim an einen Tisch trat, wo Küchenmägde gerade Wherhühner für das Festmahl vorbereiteten. Sie kam mit einer großen Schüssel voll Fleischabfällen wieder, umkreist von drei gierig kreischenden Echsen. Sie verscheuchte die Tierchen und erinnerte sie mit rauer Zärtlichkeit, dass sie ihren Anteil bereits bekommen
hätten. Zu Piemurs Erleichterung wurde Mirrim an eine
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