Drachenmeister
irgendjemanden schalt - vermutlich die Eindringlinge am Fluss.
»Wenigstens hast du keine Angst vor ihnen«, meinte Piemur, als sie zu ihm zurückkehrte und sich auf seine Schulter setzte. Sie rieb das Köpfchen an seiner Wange und stupste ihn so lange an, bis er sie zu streicheln begann. »Ich würde ja gern hingehen und uns bekannt machen - aber bei dem Gestank...«
Würdest du das wirklich gern?, fragte sich Piemur insgeheim.
Es wäre so einfach gewesen, zum Fluss hinunterzuschlendern, ganz lässig und harmlos. Die Fremden würden ihn sicher erst mal anstaunen - besonders wenn er von seinen Abenteuern hier im Süden berichtete. Aber dann fragten sie vermutlich, woher er kam, und er wusste wirklich nicht, ob er ihnen reinen Wein einschenken konnte. Allerdings geschah es des Öfteren, dass mutige junge Männer aus dem Norden versuchten, auf eigene Faust auf den Südkontinent zu gelangen, besonders wenn sie sich das Missfallen ihres Burgherrn zugezogen hatten. Piemur musste nicht unbedingt erwähnen, dass er ein Königinnenei aus dem Norden mitgenommen hatte. Die Leute glaubten sicher, dass die kleine Königin von einem Gelege hier im Süden stammte. Und was Dummkopf betraf, so konnte er sich durchaus an die Tatsachen halten. Wenn er dann noch so tat, als wüsste er nicht genau, wo sich die Burg des Südens befand... Ja, das war es. Er konnte erzählen, dass er sich ein kleines Boot angeeignet habe und dass der Weg in den Süden entsetzlich gewesen sei - was in gewisser Hinsicht auch stimmte. Hm, aber wo war er losgesegelt? Von Ista? Das war eine kleine Burg. Dort konnte man kaum unbemerkt ein Boot stehlen. Igen? Vielleicht sogar Keroon? Die Südländer forschten sicher nicht so genau nach...
»Hallo! Wer schleicht denn hier durch den Dschungel?«
Ein hochgewachsenes Mädchen versperrte ihm unvermittelt den Weg. Auf ihren Schultern saßen eine braune Echse und eine
Bronzeechse; beide starrten Farli aufmerksam an. Die Königin kreischte los, ebenso überrascht wie Piemur. Da sie gleichzeitig ihren Schweif fest um seinen Hals wickelte, brachte er nur einen halberstickten Laut heraus. Ein kurzer Ausruf der kleinen Bronzeechse machte Farli auf die missliche Lage ihres Freundes aufmerksam und sie lockerte ihren Würgegriff. Piemur sah sie an, ein wenig unmutig, weil sie ihn nicht gewarnt hatte.
»Es ist nicht ihre Schuld«, lachte das Mädchen. Sie schien Piemurs Unbehagen zu genießen. Ihr dunkles Haar wurde von einem Band zusammengehalten, damit es sich nicht in den Zweigen verfing; sie trug ein Bündel über der Schulter und hatte einen Gürtel mit vielen Taschen umgeschnallt, einige davon leer, die anderen halb gefüllt. Dicksohlige Sandalen und lederne Beinkleider schützten sie vor dem morastigen Gelände. »Meer...« - sie deutete auf die Bronzeechse - »und Talla haben gelernt, sich ganz ruhig zu verhalten. Und als die merkten, dass die kleine Königin bereits einen Partner gefunden hatte, wollten wir natürlich alle wissen, wem sie gehörte. Ich bin Sharra aus der Burg des Südens.« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Wie kommst du hierher? Wir haben auf unserer Fahrt entlang der Küste kein einziges Wrack gesehen.«
»Ich lebe bereits seit drei Fädeneinfällen hier«, entgegnete Piemur und berührte nur flüchtig ihre Hand. Vielleicht gehörte sie zu den Menschen, die sofort spürten, wenn jemand log. »Ich bin in der Nähe der großen Lagune gelandet.« Das stimmte fast.
»In der Nähe der großen Lagune?« Sharras Miene drückte Besorgnis aus. »Dann warst du nicht allein? Was geschah mit den anderen? Diese Lagune ist bei Flut mörderisch. Man bemerkt den äußeren Klippenrand erst, wenn das Schiff daran zerschellt.«
»Nun ja, ich bin klein und leicht und wurde vielleicht in die Lagune geschwemmt.« Piemur hielt es für richtig, eine betrübte Miene aufzusetzen.
»Lassen wir die Vergangenheit, Junge«, meinte Sharra, und ihre melodische Stimme drückte Mitgefühl aus. »Wenn du das Meer und drei Fädeneinfälle im Freien überlebt hast, dann gehörst du hierher in den Süden.«
»Ich gehöre - in den Süden?« Die Aussicht gefiel Piemur. Sharra war eine ebenso scharfe Beobachterin wie der Meisterharfner. Der Gedanke, dass man ihm gestattete, in diesem herrlichen Land zu bleiben und Gegenden zu erforschen, die vielleicht noch kein Mensch betreten hatte, ließ Piemurs Herz beinahe überquellen.
»Ja, das würde ich sagen.« Sharras volle Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. »Wie darf ich
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