Drachenmeister
gehört hatte. Sharra erklärte ihm, dass diese ansteckende Krankheit allem Anschein nach nur im Süden auftrat und da nur zu Beginn des Frühlings. Man vermutete, dass die Gezeiten die Krankheitserreger mitbrachten, und so mied man die Strände während dieser Periode.
Piemur war zwar dem Salbengestank und den Wasserschlangen entkommen, aber er schuftete an Sharras Seite bestimmt ebenso hart wie damals auf Nabol - an jenem Tag, der in weiter Ferne lag und nichts mit dem Piemur zu tun zu haben schien, der einmal patschnass und dann wieder von der Sonne geröstet im Sumpf stand und Schopfgras erntete.
Am vierten Tag bauten sie das Floß aus mehreren Schichten harter Halmbündel zusammen. Die Enden wurden aufgebogen und mit Lianen umwickelt, sodass eine Art Boot entstand. In der Mitte blieb eine große Mulde für ihre kostbare Fracht und für Dummkopf.
Sharra hatte ihre Feuerechsen dazu abgerichtet, allein zu jagen, wenn sie in der Wildnis unterwegs waren, und ihre Beute zum Lagerplatz zu bringen. Am Abend des vierten Tages schleppten sie das seltsamste Geschöpf an, das Piemur je gesehen hatte. Sharra nannte es einen Jagdwher. Es hatte schwache Ähnlichkeit mit den Wachwheren, jenen Nachttieren des Nordens, die bei Einbruch der Dunkelheit in den Burghöfen darauf achteten, dass keine Fremdlinge eindrangen. Allerdings war es ein gutes Stück kleiner als sie und erinnerte irgendwie auch an die Feuerechsen. Meer und Talla warfen das halb tote Ding mit begeistertem Geschrei vor Sharras Füße. Sie tötete es mit einem raschen Messerstich, nahm es aus und warf die Eingeweide weit hinaus in das schwarze Wasser; die Schlangen zerrten den Leckerbissen sofort in die Tiefe.
»Sieht vielleicht nicht schön aus«, meinte sie, als sie Piemurs entsetzten Gesichtsausdruck sah, »schmeckt aber hervorragend.
Wir bereiten eine Füllung aus jungen Knollen und Trieben und rösten es. Jeder Burgherr würde uns um diese Delikatesse beneiden.«
Piemur blieb skeptisch, und Sharra fuhr fort: »Es gibt eine Menge fremdartiger Geschöpfe in diesem Teil des Südens. Als ob sich sämtliche Tiere, die ihr im Norden kennt, irgendwie gekreuzt hätten. Ein Jagdwher ist weder Feuerechse noch Wachwher, denn Wachwhere sind tagsüber blind, während der hier die Sonne durchaus vertragen kann. Außerdem soll es bei uns weit mehr Schlangenarten als im Norden geben. Manchmal würde ich den Nordkontinent gern besuchen, um selbst all die Unterschiede zu sehen, aber dann...« - Sharra hob die Schultern, und ihre Blicke wanderten über das einsame, merkwürdig schöne Sumpfland mit seiner üppigen Vegetation -, »ich gehöre einfach hierher. Ich habe noch viel zu wenig vom Süden selbst erforscht und fange eben erst zu begreifen an, wie vielgestaltig er ist.« Sie deutete mit der blutverschmierten Messerspitze nach Süden. »Dort unten gibt es Berge, deren Gipfel immer in Schnee gehüllt sind. Ich weiß nicht, was Schnee ist, und ich kenne die Berge nicht, aber mein Bruder hat mir davon erzählt. Ich glaube, ich könnte die Kälte, die im Norden während des Schneewinters herrscht, nicht ertragen.«
»Oh, das ist halb so schlimm«, beruhigte Piemur sie. Er war froh, dass sie ein Thema anschnitt, über das er Bescheid wusste. »Eigentlich regt die Kälte an. Und Schnee macht Spaß. In der kalten Jahreszeit muss man nicht ständig...« Er schluckte. Um ein Haar hätte er gesagt: »... nicht ständig außerhalb der Harfnerhalle arbeiten.« Nun verbesserte er sich hastig: »... muss man nicht ständig im Freien arbeiten.«
Sharra schien sein kurzes Zögern nicht bemerkt zu haben. Sie sah ihn lachend an.
»Wir hier im Süden schuften auch nicht immer so wie jetzt. Aber im Moment ist eben das Heilkraut reif und das Schopfgras
setzt Früchte und Samen an. Wenn wir diese Dinge nicht ernten...« Sie zuckte die Achseln. Dann zog sie mit einem Ast eine breite Furche durch die Glut und legte dicke Wasserpflanzenblätter hinein, die sofort zu dampfen begannen. Sie schob den gefüllten Jagdwher in die Mulde, klappte die Blätter oben zusammen und schob Glut darüber. Dann lehnte sie sich zurück. »So - das wird für uns alle ein Festschmaus.«
KAPITEL 11
Jenseits der Großen Strömung löste Sebell das bunt gestreifte Großsegel von den Tauhalterungen der Spiere und verstaute es ordentlich zusammengerollt in seiner Schutzhülle. Dann zog er mit Menollys Hilfe das rote Segel des Südens auf. Er besaß inzwischen Übung und beherrschte jeden Handgriff; aber er
Weitere Kostenlose Bücher