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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Stimme klang ruhig. Sie war die ganze Zeit ruhig gewesen. Sie hatte Schmerzen gehabt, aber sie war ruhig wie ein Stein gewesen. Vielleicht hatte sie so sehr an ihren Fuß gedacht, dass sie gar keine Zeit gehabt hatte, sich vor der Gestalt zu fürchten. Aber es war wohl nicht nur das.
    »Wie geht es deinem Fuß?«
    Sie machte einen Schritt vor und dann einen zurück.
    »Gut. Ich bin wahrscheinlich nur umgeknickt, und der Fuß ist nicht verstaucht.«
    Ich befestigte das Katana wieder an meinem Gürtel. Kerstin reichte mir das Wakizashi.
    »Behalt es«, sagte ich.
    »Aber du brauchst doch zwei Schwerter, Kenny? Samurais haben doch immer zwei Schwerter.«
    »Wir sind ja wohl beide Samurai, oder? Dann können wir die Schwerter auch zusammen tragen.«
    »Okay.«
    Kerstin befestigte das Wakizashi an ihrem Gürtel.
    Ich spähte über das Feld. Der Nebel hatte sich gelichtet, und der Himmel war heller geworden. Durch den dünnen Schleier konnte ich den Jahrmarkt sehen. Alle schienen noch zu schlafen. Niemand hatte uns also gehört, als wir losgestürmt waren. Jedenfalls konnte ich dort hinten keine Bewegung entdecken.
    Die Gestalt war ein Stück nach links vom Jahrmarkt gelaufen, wo aber nur Feld war. Inzwischen musste die Person längst die andere Seite erreicht haben. Dort ragte eine lange Reihe hoher Tannen wie eine Mauer auf.
    »Wer kann das gewesen sein?«, fragte Kerstin, die meinem Blick gefolgt war.
    Der Mörder, dachte ich, aber ich glaubte nicht mehr daran. Es war jemand anders. Jemand, der irgendetwas von uns wollte.
    »Jetzt ist es ja fast noch schlimmer als vorhin, als er auf dem Feld stand«, sagte Kerstin. »Verstehst du? Es ist so unheimlich. Erst läuft er uns nach, und dann verschwindet er plötzlich.«
    »Ich verstehe genau, was du meinst«, sagte ich. »Vielleicht ist er aber auch nur seltsam«, sagte Kerstin. »Ein Irrer, meinst du?«
    »Ja.«
    »Was hatte er dann heute Nacht auf dem Jahrmarktgelände zu suchen?«
    »Wenn man dir glaubt, gibt es überall Idioten. Du erzählst doch dauernd Idiotenwitze.«
    »Jetzt nicht mehr. Und ich glaube nicht, dass es ein Irrer war.«
    »Warum nicht?«
    »Dann hätte er gerufen, etwas gesagt.«
    »Aber was wollte er denn? Warum hat er sich in den Wohnwagen geschlichen? Und uns dann verfolgt?«
    »Wenn es dieselbe Person war«, sagte ich.
    »Klar war es dieselbe«, sagte Kerstin.
    »Er wollte uns bestehlen«, sagte ich. »Aber er hat sich nicht getraut. Vielleicht hat er es mit der Angst zu tun bekommen.«
    »Meinst du, der hatte Angst vor den Schwertern?«
    »Vielleicht.«
    »Womöglich hat er sie gar nicht gesehen«, sagte Kerstin. »Es war ja dunkel.«
    »So dunkel auch wieder nicht.«
    Kerstin spähte erneut über das Feld.
    Plötzlich sah ich jemanden den Platz betreten. Er hob die Ellenbogen, und etwas blitzte auf. Als hätte ein Sonnenstrahl den Gegenstand getroffen, den er in den Händen hielt. Aber ich konnte keine Sonne am Himmel entdecken.
    Die Trompetenstöße tönten wie Feueralarm über das Feld.
    Kerstin zuckte zusammen.
    »Der Goldmann«, sagte ich.
    »Warum bläst er jetzt?«
    »Wahrscheinlich ist das ihr Wecksignal«, sagte ich. »Wir müssen gehen.«
    »Dein Rucksack, Kenny!«
    Den hatte ich vergessen. Er lag wohl immer noch unterm Drehkreuz.
    »Wir haben keine Zeit«, sagte ich. »Die Leute dahinten werden jetzt wach.«
    »Hast du plötzlich Angst vor ihnen?«
    »Wir können kein Risiko eingehen, oder?«
    »Traust du Mister Swing nicht mehr?«
    »Meinst du, der hat uns verfolgt?«
    »Nein. Ich weiß nicht.«
    »Pfeif auf den Rucksack«, sagte ich. »Da war ja sowieso nichts drin.«
    »Aber dann hast du nichts zum Umziehen.«
    »Was ich anhabe, reicht.«
    »Irgendwann musst du auch mal was anderes anziehen.«
    »Heute Abend«, sagte ich. »Dann ziehe ich mich um.«
    »Und wo?«
    »Wollten wir nicht zu deiner Großmutter?«
     
    Als ob Kerstins Großmutter Kleidung für mich hätte. Das fiel mir im Bus ein. Um acht fuhr einer in die Stadt, in der Kerstins Großmutter wohnte. Wahrscheinlich würde ich mir eine Hose von Kerstin leihen müssen.
    Wir hatten den Bus nicht gemeinsam bestiegen und uns auf Plätzen ein Stück voneinander entfernt niedergelassen.
    So leicht sollten sie uns nicht kriegen.
    Im Bus waren mehrere Kinder. Vielleicht unternahmen sie einen Ausflug. Ganz vom saß eine Frau, die ihre Lehrerin zu sein schien. Die Kinder waren etwa zehn Jahre, gingen also in die vierte Klasse.
    Die Lehrerin hatte Kerstin einen Blick zugeworfen, als

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