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Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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nicht mehr.«
    »Ich will JETZT weg!«
    »Ja, ja, darüber brauchen wir uns nicht zu zanken.«
    »Wir zanken uns doch gar nicht.«
    Kerstin fing an, sich ihre Jacke überzuziehen. Ihre Schuhe standen bei der Tür, neben meinen.
    Sie wollte nicht mehr bleiben, und mir war klar, dass es auch mit dem zusammenhing, was im Sommer passiert war, als Christian, der Sohn der Alten, sich mit Kerstin in dem Büro eingeschlossen hatte. Christian war wirklich nicht ganz richtig im Kopf. Ich hatte es in seinen Augen gesehen. Die hatte er von der Alten geerbt, Augen, in die man nicht schauen wollte. Kerstin war diesen Augen schließlich entkommen und allem, was Christian mit ihr hatte machen wollen.
    Der Wind war noch stärker geworden, seit wir uns für den Aufbruch vorbereitet hatten.
    Die Glühbirne schwang vor und zurück an ihrem Pfahl, als wollte sie auch von hier weg.
    Im Osten wurde es hell. Es musste schon später sein, als ich gedacht hatte, vielleicht sechs.
    Wir könnten zum Busbahnhof gehen und dort auf einen Bus warten. Und dann könnten wir zu meiner oder zu Kerstins Großmutter fahren. Dort war ihr Bruder. Kjell. Sie wollte ihn bestimmt gern treffen. Er musste sich ja Sorgen machen, nachdem er von der Suchmeldung gehört hatte.
    Plötzlich fiel mir Krister ein.
    Er hatte uns eine Telefonnummer von einer Bekannten gegeben, hatte gesagt, dort könnten wir anrufen, wenn wir Hilfe brauchten. Brauchten wir Hilfe? Eigendich war nichts passiert. Wir setzten nur unsere Reise fort.
    »Es wird hell«, sagte Kerstin.
    »Wir können zum Busbahnhof gehen und den erstbesten Bus nehmen«, sagte ich. »Ja.«
    Wir gingen los. Es begann zu regnen.
    Hinter einem der Wohnwagen meinte ich eine Bewegung wahrgenommen zu haben, ein Flattern.
    »Lauf!«, sagte ich, nahm Kerstins Arm und fing an zu laufen. Sie beschleunigte sofort.
    »Was ist?«, keuchte sie.
    »Lauf!«
    Wir hatten das Drehkreuz erreicht und duckten uns darunter hindurch. Ich blieb mit dem Rucksack hängen.
    »Lauf, Kerstin!«, schrie ich und versuchte, mich loszureißen.
    Der Rucksack war an einem Drehkreuzarm über mir hängen gebheben. Ich zog die eine Schlaufe über den Ellenbogen herunter und schlängelte mich aus dem Rucksack. Mein Katana schleifte hinter mir her. Der Griff stach mich plötzlich in die Seite, aber ich merkte es kaum. Ich war frei und rappelte mich auf. Kerstin hatte die Sekunden gewartet, die ich gebraucht hatte, und darüber war ich froh. Wir waren immer noch zusammen. Vor uns lag das Feld. Überall war Feld. Ich erkannte die Konturen von Bäumen und Häusern, aber bis dorthin war es weit. Es gab keinen Schutz, und hinter uns war nur der Jahrmarkt. Wir Hefen auf das Feld hinaus. Es war immer noch dunkel. Der Boden war uneben, es war ein Gefühl, wie auf dem Mond zu laufen. Der warf immer noch dieses blaue Licht auf uns herunter, das so unheimlich wirkte, und er schien genau wie die Glühlampe auf dem Jahrmarkt zu schwingen.
    Hinter uns hörte ich das Drehkreuz knirschen.
    »Schneller!«, schrie ich.
    Aber Kerstin war sowieso schneller als ich. Sie schien das Tempo sogar zu verlangsamen, damit ich nicht zu weit zurückblieb. Dabei trug sie ja auch noch den Rucksack, der auf ihrem Rücken hüpfte, während sie lief. Aber ich hatte die Schwerter und musste das lange Katana halten, damit es nicht über den unebenen Boden schleifte.
    Ich wollte mich immer noch nicht umdrehen. Schließlich würde vielleicht der Moment kommen, in dem ich es tun musste, mich mit dem Schwert in der Verteidigungshaltung aufstellen, während Kerstin auf einen Schutz an der anderen Seite des Feldes zulief, aber noch hatte ich keine Schritte hinter uns gehört.
    Da hörte ich sie.
    Ich hörte Atmen.
    Aber der, der hinter uns her war, sagte nichts. Das war noch unheimlicher.
    Ich wollte mich nicht einmal für eine halbe Sekunde umdrehen. Wenn wir uns umdrehen, sterben wir, dachte ich. Es ist der Tod, der hinter uns her ist. Gleichzeitig versuchte ich daran zu denken, dass der Tod dem Samurai nichts bedeutet. Jeden Tag soll ein Samurai einen rahigen Ort aufsuchen und sich genau den Moment, die Sekunde vorstellen, wenn er von Pfeilen, Gewehrkugeln, einer Lanze oder einem Schwert durchbohrt wird. Ins Feuer geworfen wird. Von einem Blitz getroffen wird. Von einem Erdbeben mitgerissen wird. Von einer Klippe gestoßen wird. Von einem Zug überfahren wird.
    Oder von einem Mörder auf einem Feld eingeholt wird.
    Aber dies war kein ruhiger Ort, und ich wollte noch nicht sterben. Es war das

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