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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Leben und Tod auf eine Karte setzt, wenn das Herz erschrocken zu pochen beginnt, erhalten alle Farben dieser Welt ihre ursprüngliche Leuchtkraft zurück.
    Loj öffnete eine kleine, verdeckte Tür und betrat einen schmalen Korridor, der immer tiefer unter die Erde führte. Der Gang verlief unter den Wurzeln jener gigantischen Eiche hindurch, die mit ihrem Stamm und ihrer Krone den Ballsaal beherbergte; weiter führte er unter der Route der Gnome hindurch, so dass man gelegentlich sogar das Rattern der ekelhaften Lokomotivenräder hören konnte; und schließlich zog er sich unter dem Fluss entlang, wo es sehr feucht war und die Wassertropfen klopfend auf den steinernen Boden fielen … Loj mochte diesen Ausgang nicht. Zwei Stunden unterirdischer Wanderung – das war für jedermann ermüdend und unangenehm.
    Dafür kam sie in einem kleinen Lehensdörfchen heraus, das von Gnomen und Menschen bewohnt wurde und direkt an der Route lag. Von der dortigen Bahnstation waren es nur drei Stunden Fahrt bis zu den Ländereien des Wasserclans.

10
    Loj fand besonderes Gefallen daran, inkognito zu reisen. Nein, natürlich nicht, weil sie es an sich schön fand, denn wer mochte schon schmuddelige Abteile, dumm-dreiste Mitreisende und das Fehlen der gewohnten Ehrerbietung im Blick der Leute. Der Reiz lag darin, dass sie wusste, dass es nur ein Spiel war. Nichts auf Dauer. Angeblich hatte ein unbedeutender menschlicher Herrscher im Osten, ein gewisser Harun Raschid, diesem Zeitvertreib gefrönt; er wanderte des Öfteren in einfacher Kleidung und ohne Begleitung durch seine Städte und beobachtete das Volk; später versetzte er dann seine Höflinge und Minister mit seinen Kenntnissen über die wahren Zustände in seinem Reich in Erstaunen. Der Legende nach beendete er diese Streifzüge erst, als er sich in einem der Elendsviertel mit einer unheilbaren Krankheit infizierte beziehungsweise als er an einer dunklen Straßenecke überfallen und erdolcht wurde … an dieser Stelle variierte die Geschichte, je nachdem, was der jeweilige Erzähler für einen Sinn für Humor hatte.
    Aber schließlich war Harun ja auch kein Magier gewesen, im Gegensatz zu Loj.
    Auch wenn das Oberhaupt der Katzen ein einfaches Kleid, schlichten Schmuck und kein Make-up trug, so stach
es doch trotz allem aus der Menge heraus. Genau wie ein Rassewelpe, den ein unvorsichtiger Bauer seinem Herrn gestohlen hat, immer in der Schar der Gesindehunde auf dem Hof auffallen wird. Aber abgesehen von gierigen männlichen und neidisch-abschätzigen weiblichen Blicken bemerkte Loj nichts Besonderes. Die Spione hatten sie entweder nicht ausfindig gemacht, oder Chor hatte sich mit der Situation abgefunden und sich die Kundschafter für diesmal gespart.
    Für sechs Kupfermünzen kaufte Loj eine Fahrkarte mit Recht auf einen Sitzplatz ohne Schlafrecht. Der Stolz der Olchyda war ein langsamer Zug, aber in gut vier Stunden würde er sie zur Hauptstadt des Wasserclans bringen.
    Ohne darüber nachzudenken, ging sie zum Wartesaal für Magier. Erst als sie den wachhabenden Elfen erblickte, der neben der Eingangstür stand, erkannte sie ihren Fehler. Der Elf bedachte sie mit einem verächtlichen Blick, als wäre sie eine einfache Bäuerin, ließ sich aber immerhin zu einer Erklärung herab.
    »Hier ist kein Platz für dich. Hier versammeln sich die Kater … nun mach schon, dass du weiterkommst, sonst …«
    Dabei zeigte er ihr die Zähne in einer nicht sonderlich gelungenen Parodie auf die berühmte Kampfesmimik der Feliden. Über die Schulter des Elfen konnte Loj sehen, dass der Saal glücklicherweise leer war, sie war also nicht Gefahr gelaufen, erkannt zu werden.
    »Oh … oh …«, begann sie zu jammern, während sie sich eilig zurückzog. Vielleicht reagierte sie auch voreilig, schließlich waren die einfachen Mädchen für gewöhnlich durchaus an einem Kater-Verehrer interessiert. Aber der Elf lächelte zufrieden.
    Sich für ihre eigene Dummheit verfluchend – wäre der Elf nur etwas scharfsichtiger gewesen, hätte er bestimmt etwas
gewittert -, ging Loj in den öffentlichen Saal hinüber. Dort war es stickig, der Boden war seit Tagen nicht gewischt worden, und das Volk drängte sich nur so.
    Mit einiger Mühe fand sie schließlich ein Plätzchen auf einer der Bänke, setzte sich aufrecht und gesittet hin und bedeckte mit den Händen ihre nackten Knie. In den Augen eines gewöhnlichen Menschen war sie ein Mädchen von siebzehn, achtzehn Jahren, gerade voll erblüht, und die

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