Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow
mir wenigstens erklären, wohin es dich treibt? Gerade jetzt, da uns ein Krieg mit dem Wasser droht? Nun?«
Loj suchte schweigend ihre Sachen zusammen. Ein kurzes Kleid aus blauer Baumwolle, eine Kette mit großen Holzperlen, Sandalen aus weichem Leder. So kleidete sich entweder eine Frau von hohem Stand, die keinen Gefallen mehr an glitzernden Kostbarkeiten und luxuriösen Stoffen fand, oder eine einfache Bäuerin, die sich sogar gefürchtet hätte, in die Nähe der Clan-Ländereien zu kommen.
In dieser Situation waren Loj beide Vermutungen gleichermaßen recht und wichtig.
»Wenn du umkommst …« Chor verstummte und fügte dann mit deutlich leiserer Stimme hinzu: »Loj, bitte lass mich mit dir gehen.«
In Gedanken lächelte Loj triumphierend. Er liebte sie. Er liebte sie sehr. Er war eifersüchtig und hatte Angst um sie, machte sich Sorgen.
»Mein Lieber …« Sie ging zu ihm, lehnte sich weich an ihn. Ihr Kämpfer roch nach Wein und Parfüm. Wessen wohl? Sie musste sich diesen Geruch merken … Wahrscheinlich
war er direkt von einem fröhlichen Gelage gekommen, hatte seine jungen Freundinnen und geübten Zechbrüder sitzen lassen und war zu ihr geeilt, sobald Loj ihrer Dienerin befohlen hatte, sich zu entfernen; schließlich war Loj sich genau darüber im Klaren, dass diese Dienerin von Chor als Spionin angeheuert war, entweder bezahlte er sie, oder er hatte sie verführt.
Es war trotz allem leicht, Männer zu lenken.
»Ich kann es dir nicht sagen. Jetzt nicht, mein Lieber …«
Chors Muskeln spannten sich, er streckte die Arme aus, um sie ungestüm und leidenschaftlich an sich zu reißen, aber Loj entwand sich geschickt seinem Griff.
»Die Zeit wird kommen, da du alles erfährst«, fuhr sie besänftigend fort. »Aber jetzt muss ich gehen. Allein. Und schick mir keine Spione hinterher, ja? Männer würde ich verführen und Mädchen die Augen auskratzen.«
Chor stieß einen schwülstigen Fluch aus. Er unterzog Loj einer genauen Musterung und fragte dann: »Was ist los, hast du Freundschaft mit einer der Dörflerinnen geschlossen?«
Mit ganz und gar ernstem Gesicht schüttelte Loj den Kopf. Und ließ sogar ein Tränchen im Augenwinkel aufblitzen – als Zeichen, dass sie zu Unrecht beleidigt wurde.
Immerhin hatte sie schon an die zwei Jahre keine Intrigen mehr außerhalb der Clans angezettelt!
»Sei nicht wütend«, sagte Loj, während sie das fast unsichtbare Türchen zu ihrem magischen Zimmer öffnete. Chor wollte ihr schon folgen, blieb dann aber im letzten Moment stehen. Ins Allerheiligste eines Magiers einzudringen würde bedeuten, alles aufs Spiel zu setzen.
»Du Katze!«, warf er ihr zornig hinterher, ganz so, als ob er selbst einem anderen Clan angehörte.
Loj warf das Türchen hinter sich zu. Und stand einfach so da, für einen Moment bar aller eben noch zur Schau gestellten Selbstsicherheit.
Was tat sie eigentlich? Was?
Nein, dass Chor jetzt zu seiner feuchtfröhlichen Gesellschaft zurückkehrte, beunruhigte sie nicht im Mindesten. Sie hatte schon vor langer Zeit begriffen, am haltbarsten war jene Leine, die man von Zeit zu Zeit schleifen ließ.
Loj beunruhigte ihr eigener Plan. Es war eine Sache, Ota in die Schranken zu weisen und auf diesem Wege einmal mehr die eigene herausragende Stellung zu unterstreichen. Aber es war etwas ganz anderes, tatsächlich zum Angriff überzugehen.
Torn würde ihr die Demütigung nicht verzeihen. Kein Mann würde verzeihen, was sie ihm angetan hatte.
Die genauen Hintergründe des Vorfalls würde sie nur beim Clan des Wassers in Erfahrung bringen können. Der Clan der Luft kam dafür nicht infrage; da Ritor den Konflikt nicht angezettelt hatte, konnte das nur bedeuten, dass er selbst nicht über alle Informationen verfügte.
Was sollte sie tun?
»Denk nach, du Dummchen, na los«, spornte Loj sich selbst zärtlich an. »Du schlägst dich zum Clan des Wassers durch, und was dann?«
Sie hatte keine Lust zu ertrinken, auszutrocknen oder mit Wasserpeitschen exekutiert zu werden. Und Torn besaß eine reiche Fantasie, wer weiß, was ihm noch als Bestrafung einfallen würde.
Eine reiche Fantasie …
»Es käme auf einen Versuch an, nicht wahr, Miezi?« Loj redete sich selbst aufmunternd zu und schüttelte gleichzeitig nachdenklich den Kopf. »Riskieren wir es?«
Denn was war ein Leben schließlich ohne Risiko! Des Sexes wird man überdrüssig, feine Speisen rufen irgendwann nur noch Ekel hervor, Machtintrigen werden eintönig und öde. Aber wenn man
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