Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
eigenen Feuer verbrannten. Wie die Mauern ihrer Burgen einstürzten und ihre in Jahrhunderten zusammengetragenen Bibliotheken sich in Asche verwandelten, Bibliotheken, in denen – wie es heißt – die Weisheit aller drei Welten gesammelt war.
    Dennoch werden sie niemals bitten: »Schneller …«
    Der Drachentöter zieht vorsichtig, als handle es sich um eine ungewöhnliche Kostbarkeit, seinen krummen Säbel aus reinem weißem Stahl aus seinem Gürtel hervor. Die Klinge ist weiß, ohne eine Spur von Farbe, weiß wie der Schnee bei der Grauen Grenze.
    Auch der Drachentöter will nicht unehrenhaft handeln, indem er jene tötet, die seiner Kraft jetzt beinahe wehrlos gegenüberstehen. Und Viktor spürt, wie sich seine Brust vor Begeisterung zusammenzieht: Er ist der Drachentöter, und er ist dankbar, und auch er weiß, was Ehre ist. Er bemüht
sich aufrichtig darum, die Chancen einander anzugleichen.
    Jetzt bringt er sich in Position …
    »Viktor!« Ein Schwall eiskalten Wassers traf ihn im Gesicht.
    Er öffnete die Augen.
    Das Klopfen der Räder, der gleichmäßig schaukelnde Waggon. Die fest verschlossene Tür – mit Riegel und Kette. Und eine erschrockene Tel mit einem Krug in der Hand.
    »Du warst plötzlich … so entrückt«, sagte sie schuldbewusst. »Und du hast nicht mehr geantwortet. Irgendetwas hat dich fortgeführt, oder? Hast du etwas gesehen?«
    »Tel, ich …«
    »Nein, erzähl mir nichts!« Eilig bedeckte sie ihre rosigen Ohren mit den Handflächen. Wie ein erschrockenes Mädchen, das von den Eltern zu einem ernsten Gespräch aufgefordert wurde. »Ich will nichts hören. Und denk daran, du musst alles selbst entscheiden! Sonst … sonst …« Ihre Stimme wurde leiser: »… sonst wärst du besser gar nicht erst hierhergekommen. Es ist eine schreckliche Vorstellung, was du anrichten könntest, wenn … wenn du nicht du selbst bist.«
    »Nicht ich selbst?« Viktor war aufrichtig verwundert.
    »Ja, ja. Denn das bedeutet höllische Qualen, die Folter aller Foltern, und kein Lebewesen vermag sie zu ertragen. Deshalb habe ich auch solche Angst … dich versehentlich in irgendeine Richtung zu beeinflussen. Denn die Kraft eines vor Schmerz zermarterten Herzens ist schlimmer …«
    »Als mit einem Verrückten allein im Zimmer …«, schloss Viktor. Er konnte es sich nicht verkneifen, die ernste Stimmung für einen Moment aufzubrechen, denn trotz allem wirkten Tels Worte irgendwie kindlich und harmlos auf
ihn. Es lag etwas Spielerisches und Absichtsvolles in ihnen. Wie bei diesen Rollenspielen.
    »Mach dich nicht lustig«, sagte Tel beleidigt. Sie schob schmollend die Lippen nach vorne und blickte eine Weile zum Fenster hinaus. »Mach dich nicht lustig. Denn das ist die Wahrheit, und über die Wahrheit soll man keine Scherze machen. Das rächt sich.«
    »In Ordnung, ich tu’s nicht mehr«, stimmte Viktor ergeben zu. »Dann sag mir jetzt mal, wie lange ist es noch bis Rjansk.«
    »Wir kommen etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang dort an.«
    »Tel … leben deine Eltern noch?«, fragte Viktor unerwartet.
    »Als ich noch ganz klein war, war Mama in einen Aufstand verwickelt. Die Rebellion wurde niedergeschlagen. Die Anstifter wurden hingerichtet. Der Drache war barmherzig. Er tötete alle schnell und auf einen Schlag. Keiner wurde lange gequält, und später wurden ihre Körper sogar den Angehörigen übergeben, damit diese die Leichname bestatten konnten. Das passierte nicht oft.«
    »Der Drache …« Viktor sprach das Wort langsam aus. In seinem Inneren stieg ein dumpfer Zorn auf – es war nicht sein Zorn! -, und die Hände griffen ganz von selbst zur Waffe.
    »Ich wollte es dir nicht sagen. Aber nachdem du mich nun direkt gefragt hast, darf ich dich nicht anlügen.« Tel sah aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen. »Aber frag mich jetzt bitte nicht, wer diese Drachen sind.«
    »Ich glaube, das weiß ich auch so«, murmelte Viktor.
    Die Drachen. Der größte Fluch der Welt. Das Böse, das der Drachentöter ausgerottet hatte. Jene, die fast unverwundbar,
fast unbesiegbar waren, die fast nicht alterten – bis zu dem Tag, als der Drachentöter kam, wenn er seinem letzten – ja was war das gewesen? – Traum, Vision oder Sinnestäuschung glauben durfte.
    Aber warum erscheinen mir diese Visionen?, fragte sich Viktor.
    »Das ist das Schicksal, Viktor«, sagte Tel sehr leise und sehr erwachsen. »Lauf nicht vor ihm davon, blick ihm ins Gesicht … Komme, was da wolle.«
     
    Chor war außer sich.
    »Kannst du

Weitere Kostenlose Bücher