Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow
Männer rund um sie herum begannen sich augenblicklich aufzuplustern wie die Gockel. Zwei junge Burschen, dem Aussehen nach Handwerker oder Studenten, begannen laut und gelehrig über die Dampfmagie der Gnome zu reden und darüber, dass es auch den Menschen möglich sei, sie zu erlernen. Ein etwas älterer Mann im Rang eines Reiters, der vielleicht einem Lehnsherr diente oder möglicherweise auch in der Landwehr eines Clans, blies sich kräftig auf und drückte die mit Orden behängte Brust heraus, während er Loj mit den Augen verschlang. Auf seine Redekunst wollte er sich klugerweise nicht verlassen und setzte daher alles auf sein imposantes Äußeres. Und sogar die älteren Bauern, die Bündel und Körbe bei sich trugen und teilweise in Begleitung dicker hässlicher Frauen waren, nahmen eine würdevolle Miene an. Die Ärmsten … Loj war zufrieden mit ihrer Wirkung, sie schlug ein Bein über das andere, um deren makellose Form besser zur Geltung zu bringen.
Wäre diese Unternehmung ein schlichtes Abenteuer, wer weiß, vielleicht hätte sie dem heldenhaften Soldaten Tribut gezollt … oder den Studenten, beiden gleichzeitig, denn sie hegte einige Zweifel an deren Kräften. Aber in diesem Moment war ihr einfach nicht danach. Ihr stand der Clan des Wassers bevor … und der erzürnte, vor Rachegier kochende
Torn. Bei diesem Gedanken überlief es Loj kalt. Nein, das Sprichwort hatte Recht: Neugier tötet die Katze. Die größte Kraft ihres Clans lag weder im Mut seiner Krieger noch in der Koketterie seiner Frauen. Information, Gerüchte, Tratsch, vorsichtig eingefädelte Lügen und die zum richtigen Zeitpunkt ausgesprochene Wahrheit – das waren die Waffen der Katzen.
Der Stolz der Olchyda pfiff durchdringend, während er in den Bahnsteig einfuhr. Loj ging bescheiden in der Menge mit, hielt die Augen gesenkt und drückte sich an die Wand. Sie wollte nicht angestarrt werden, sie war doch nur eine einfache, gehorsame Tochter, die auf Besuch zur Großmutter fuhr; es war sinnlos, um sie herumzuscharwenzeln, besser, die Herren suchten sich jemand anderen …
Der Reiter folgte ihr trotzdem. Wie der Zufall es wollte, hatte auch er eine Fahrkarte für den allgemeinen Waggon, und als Loj sich einen Platz ausgesucht hatte, zwischen zwei vertrockneten alten Mütterchen, die auf ihre Körbe gelehnt vor sich hindösten, setzte sich der Reiter ihr gegenüber. Loj betrachtete verstohlen seine Auszeichnungen; ja, für die Verteidigung Stopoljes … also hatte er für den Fürsten gekämpft, das war ein rein menschlicher Krieg gewesen … Und hier ein Orden des Großen Wassers … war er vom Wasser angeheuert worden, oder wie war das zu verstehen? Und der Orden Schmalkos – des Großmärtyrers? Den hatten sie sich doch extra für die Garnison der Schlammigen Burg ausgedacht, für titanische Beharrlichkeit bei ihrer Verteidigung; dabei wusste jeder, dass diese Festung niemals von irgendwem angegriffen wurde, und die hübsche Anstecknadel aus Jaspis war im Grunde ein Synonym für lange Dienstjahre. Schmalko, der arme Tropf, ein Freiwilliger im Korps Schöner Donner, nach dem der Orden benannt
war, hatte sich während der ersten Verteidigung Stopoljes in einem alten Hügelgrab versteckt; er hatte sich darin verirrt und war zwei lange Jahre in dem endlosen Kalksteinlabyrinth umhergewandert, und während dieser Zeit hatte er sich nur von Flussschlamm und Fledermäusen ernährt. Jedoch, als man das Hügelgrab öffnete und der tapfere Soldat ins Freie trat, trug er noch immer seine Armee-Hellebarde bei sich, was bei den siegreichen Gegnern bekanntermaßen große Achtung hervorrief.
Der Reiter deutete Lojs Lächeln zu seinen Gunsten und blähte sich förmlich auf. Er schien zu glauben, dass die Medaillen, der Pallasch und die beiden Pistolen am Gürtel auch für einen Sieg an der Liebesfront ausreichten.
Und als Loj nach einer halben Stunde aufstand und sich zur Toilette begab, erhob sich der Reiter ebenfalls und folgte ihr. Loj bemerkte ihn erst im Windfang, da jedoch notgedrungen, da er seine schwere Hand auf ihre Schulter legte.
»Liebes Kind …« Der Reiter hustete. »Ich bin ein einfacher Bursche und wenig geübt im Reden.«
Loj maß ihn mit einem verächtlichen Blick. Aber der Reiter war schon in voller Fahrt und durch nichts mehr zu bremsen.
»Also weißt du, du hast mir gleich gefallen, deine Augen haben meine Seele zum Glühen gebracht …«
Damit hielt er die Einleitung offenbar für abgeschlossen, er umfasste Loj und
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