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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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hatte. Schon seit zehn Jahren bekräftigten die Frühlingskämpfe sein Recht darauf, Lojs Freund zu sein.
    Und noch immer war er eifersüchtig.

    Er konnte nicht anders. Loj war ihm ein ewiges Rätsel. Sie war leichtfertig und treu, sie war fähig, bis zum Umfallen zu tanzen und dann wieder wochenlang über halbvermoderten magischen Traktaten zu sitzen, sie konnte das Gold des Clans für eine spontane Laune verschwenden und gleichzeitig mit eiserner Hand regieren, und sie verstand es, geschickt zu lavieren zwischen den anderen Clans, die immerzu bereit waren, sich gegenseitig an die Kehle zu gehen. Ihre dunkelblauen Augen waren manchmal bodenlos tief, dann wieder völlig undurchdringlich wie schwarze Steine in einem stillen Gewässer – vor allem, wenn sie über jemanden ein Todesurteil fällte. Loj vermochte auf eine Art den Saal zu durchqueren – einerlei ob im durchsichtigen Ballkleid oder vom Hals bis zu den Fußspitzen in Schwarz gehüllt -, dass den Männern der Atem stockte, ihr Mund sich mit gierigem Speichel füllte und ihr Verstand nur mit äußerster Not dem Ansturm des toll gewordenen Fleisches standhielt, das in den Tiefen der Leidenschaft entbrannt war. In diesen Minuten stand Chor – wie sonst nie – am Rand des Wahnsinns, buchstäblich einer mordlüsternen Besessenheit.
    Und Loj wusste das, wie es schien, sehr genau. Dennoch gefiel es ihr, ihn zu reizen, mit dem Feuer zu spielen, am Abgrund zu balancieren, am seidenen Faden zu zerren; im Grunde bestand genau darin die Quintessenz dessen, was als »Geist der Katzen« bezeichnet wurde – immer bis zum Äußersten zu gehen, auf dem Kamm der Wellen dahinzugleiten, sich nicht einzumischen und sich nirgendwo unterzuordnen. Die Katzen standen im Ruf, die besten Intriganten dieser Welt zu sein. Und Loj war die beste unter ihnen. Böse Zungen behaupteten, dass die Katzen sogar in der Lage seien, sich mit den Angeborenen zu einigen; und
irgendjemand ging noch weiter und erklärte, dass die Katzen jederzeit zum Verrat bereit wären, sobald sich ihnen ein Vorteil daraus bieten würde – und vielleicht hätten sie die anderen Clans schon längst verraten. Es versteht sich von selbst, dass keiner dieser Lästerer irgendwelche Beweise dafür hatte, und den Katzen, so schien es, war es völlig gleichgültig, was man über sie erzählte. Im Gegenteil – sie waren die Ersten, die über Witze über sich selbst lachten. Ja, sie galten sogar als Urheber aller mehr oder weniger scharfsinnigen Bonmots.
    Außerdem waren sie für ihre Bälle berühmt, wo sie mit den unglaublichsten Zaubertränken und Vergnügungen aufwarteten. Wo, entsprechend eines ungeschriebenen, aber ehernen Gesetzes, niemals und unter keinen Umständen Rechnungen beglichen wurden und wo die Mitglieder verfeindeter Clans ungestört und ohne Waffe in der Hand miteinander sprechen konnten. Aus irgendeinem Grund waren alle bereit, auf den Bällen der Katzen auf einen Schlag alle Kränkungen und Beleidigungen zu vergessen.
    Loj warf Chor aus halbgeschlossenen Augenlidern einen prüfenden Blick zu. Heute war ihr ohnehin nicht nach Flirten zumute. Irgendetwas Unerquickliches war dem Clan des Feuers zugestoßen. Für gewöhnlich waren sie die ersten Gäste, die eintrafen. Aber diesmal war keiner von ihnen zu sehen. Lediglich ein blasser Jüngling mit einem dunkelroten Tuch aus Gaze um den linken Arm drückte sich kümmerlich in einer Ecke des Saals herum – das war alles.
    Andererseits konnte sie sich freuen, dass dies bisher die einzige Auffälligkeit war. Alle übrigen Stammgäste waren wie immer erschienen.
    Für die Herrscher des Waldes war Loj Iwers Ballsaal ein vertrauter Anblick. Magie hatte eine junge Eiche in einen
riesigen, wahrhaft den Himmel stützenden Koloss verwandelt, der sich in unendlicher Höhe über den nebligen Wipfeln des Singenden Waldes erhob. Die Äste, die aus dem untersten Kranz seiner Krone zu Boden ragten, waren so dicht ineinander verschlungen, dass sie richtige Wände bildeten wie die einer Festung. Jeder dieser Äste war so dick wie eine gewöhnliche hundertjährige Eiche.
    Iwer hatte für alles Sorge getragen. Unter den Wurzeln des Kolosses sprudelte eine eisige Quelle hervor; Loj mochte, wie das für Katzen typisch ist, Wasser nicht besonders; aber die gläsernen Tropfen auf dem grünen Blätterwerk waren so schön, funkelten so spielerisch im Widerschein der gewaltigen Feuerstelle, dass sie nicht widerstehen konnte.
    Unter dem dunkelgrünen – oder je nach Jahreszeit

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