Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow
Ernsthaftigkeit an, ganz so, als sei die Kälte seine Schuld.
Loj sagte nichts. Sie neigte sich graziös nach vorne und wusch sich an einer Wasserrinne, die von einem aus den Felsen hervorspringenden Bergquell gespeist wurde. Das muntere Bächlein sprudelte in die hölzerne Rinne und floss dann weiter bergab in Richtung Norden zu den trockenen Feldern und in die Steppe.
18
In der Dämmerung, während all die Kutscher und Treiber noch auf ihren Fuhrwerken schliefen, machten sie sich auf den Weg. Tel war auffallend nervös, ständig blickte sie sich um, manchmal blieb sie abrupt stehen und starrte reglos in die Ferne, obwohl da nach Viktors Ansicht absolut nichts zu sehen war außer ein paar blassen und weit entfernten Lichtern, die schnell von der aufgehenden Sonne verschluckt wurden.
Mit der Sonne überkam ihn eine merkwürdige Mischung aus Leichtigkeit und Unbekümmertheit. Der Zustand, wenn man sich dem trügerischen Gefühl hingibt, dass man unverwundbar ist und jedes Hindernis leicht überwinden kann.
Viktor begann sogar zu pfeifen. Weit ist der Weg, der hinter uns liegt, weit ist der Weg, er führt uns ins Dunkel, weit ist der Weg … Puh, was für ein Quatsch! Und woher kam das jetzt bloß auf einmal?
Bergab fiel das Gehen leichter, aber die Gesichter von Loj Iwer und Tel verfinsterten sich aus irgendeinem Grund zusehends.
»Sie erwarten uns dort … Viktor«, sagte die Frau endlich. Es waren die ersten Worte, die sie an ihn richtete seit ihrem nächtlichen … hm … Gespräch.
Tel nickte nur schweigend. In den letzten paar Stunden war sie regelrecht hohlwangig geworden; von ihr war, wie es so schön hieß, nichts als die Augen übrig, oder vielleicht wäre es besser, zu sagen, nichts als eine hervorstechende Nase. Und auch ihre frühere Gelassenheit war fast vollständig verschwunden.
»Viktor … wie es aussieht, haben sie uns tatsächlich überholt.« Sie klang schuldbewusst, als wäre das allein ihr Versehen. »Sie haben die Trasse von Norden und von Süden her abgeriegelt. Hinter uns steht der ganze Clan der Erde. Sie warten darauf, dass wir umkehren und ihnen geradewegs in die Arme laufen. Vor uns warten Ritor und der Clan des Feuers.«
»Und Torn?«, fragte Loj scharf. »Spürst du ihn auch, Magierin vom Geheimen Clan?« In Lojs Worten und in ihrer Stimme war zum ersten Mal so etwas wie Respekt, wenn nicht sogar Ehrfurcht wahrzunehmen.
»Torn kann ich nirgendwo spüren«, bekannte Tel wiederum schuldbewusst.
»Warum wohl? Das wüsste ich nur zu gern«, murmelte Iwer vor sich hin. Tel gab keine Antwort.
»Gibt es noch einen anderen Weg?«, fragte Viktor geschäftig. Bei dieser Geschichte konnte er sich auf nichts als auf seine Erfahrungen aus amerikanischen Fernsehstreifen verlassen. Frei nach dem Motto: Wer kein Klopapier hat, der nimmt eben Schmirgelpapier.
»Es gibt keinen anderen Weg.« Die Katze schüttelte den Kopf. »Über Felsbrocken könnte man vielleicht irgendwie klettern, aber dort sind nur senkrechte Wände, Überhänge und Abbrüche.«
»Aber wenn es keinen anderen Weg gibt …«
»Viktor, denk bitte dran, wir brauchen das Feuer!«
Da war sie wieder, die Frau Oberlehrerin, die dem dummen Schüler ihre Lektion einpaukte.
»Dann gehen wir eben weiter, Schluss aus jetzt mit dem Gerede!«, sagte Viktor wütend. Er hatte das alles so satt. Was war das für ein alberner Retter der Welt, dem die Hälfte der Leute, die er retten sollte, mit Feuereifer auf den Fersen war, um ihn so schnell wie möglich auszuschalten … Und wenn er auf seine Verfolger treffen sollte, dann würden wieder unzählige unschuldige Menschen sterben.
Er erinnerte sich an den Wahnsinn im Waggon und konnte nur mit Mühe einen heftigen Würgereiz unterdrücken.
Ob es Gott hier gab? Oder war auch hier alles beim Großen Knall entstanden? Die Gnome und Elfen und die Angeborenen …?
Apropos Angeborene, was hatte Loj über sie gesagt? Der Fluch unserer Welt? Keine besonders freundliche Empfehlung …
»Sag mal, Tel, warum könnt ihr nicht einfach mit den Angeborenen verhandeln? Was wollen sie denn genau von euch?«
Sowohl das Mädchen als auch Loj fassten sich mit der gleichen bildhaften Geste an den Kopf.
»Bei allen Großen Kräften, was hat das denn jetzt für eine Bedeutung!«, brach es aus Tel heraus.
»Es interessiert mich eben«, schnappte Viktor zurück. »Vielleicht habe ich ja nie mehr die Gelegenheit, es zu erfahren, wenn wir erst mal da unten angekommen sind; also sei so nett und erklär es
Weitere Kostenlose Bücher