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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Ritor einen derartigen Ausgang vorhergesehen. Ein Weg war vorbereitet, auf dem der Wirbelsturm in die leere, leblose Steppe abgeleitet werden würde.
    »Ich öffne sie!«, schrie die Zauberin und versuchte das Heulen des Hurrikans zu übertönen. Ihr Gesicht war gerötet vor Anspannung.
    Asmund stöhnte wieder auf. Er hatte seine Lippe aufgebissen, auch aus seiner Nase schoss Blut, aber er hielt sich tapfer.

    Noch nie war Ritor auf einen so starken Widerstand getroffen. Die Magier des Clans hatten alle ihre Kräfte aufgeboten, Flügel über den ganzen Himmel gespannt, und … und … nichts. Genauer gesagt, etwas. Etwas so Starkes, dass …
    »Da ist er!«, heulte Gaj auf einmal auf.
    Auch Ritor hatte ihn bereits erspäht.
    Augenblicklich erkannte er das kleine Städtchen. Im fernen Norden, gleich bei der Grenze – wohl das Territorium des Clans der Erde. Ein staubiger, kleiner Bahnhof. Entlang des hölzernen Bahnsteigs zog sich ein in den Farben der Barbaren angemalter Zug. Ritor erfasste eine Welle der Angst, es war die Angst jener Leute, die in den Eingeweiden des Zuges eingepfercht waren. Und dann sah er einen nicht mehr ganz jungen Mann, etwa um die dreißig, der hager und dunkelhaarig war, eine schwarze Jacke und ein Elfenschwert in einer albernen, unpassenden Scheide trug.
    Die Macht des ungehemmt rasenden Windes war so gewaltig, dass Ritor sogar – o Glück! – Wortfetzen hören konnte, die sich im Inneren des Fliehenden verbargen.
    Der Raum schmolz, löste sich in Weiß auf. Er lief nicht, sondern er flog. Eilte durch eine helle, weiße Nacht – wie in Sankt Petersburg. Nur ein Blick nach hinten, und die Furcht überwältigt den Verstand. Durch die schaumigen Wolken gleitet ein geflügelter Schatten. Riesenhaft. Bedrohlich. Todbringend. Entweder spiegeln sich die Sterne in der schneeweißen Schuppe, oder sie leuchten ganz von selbst. Gleichmäßig schlagen die Flügel in der dünnen Luft, in den großen, flimmernden Augen liegt Zorn. Er hat es gewagt, den Geflügelten herauszufordern, er hat es gewagt, obgleich er noch nicht die Kräfte hat, mit ihm fertig zu werden. Und jetzt holt jener ihn ein, der Gebieter des Himmels und der Meerestiefen, der Herr über die Erdscholle und das Feuer.

    Ritor schrie auf. Es war der rasende Schrei eines Spielers, der nicht nur sein eigenes Leben auf ein Pferd gesetzt hatte, sondern das Leben der ganzen Welt.
    »Er ist es! Er ist es!«
    Er spürte den Drachentöter – so hell und deutlich, wie es nur ein Bruder vermag.
    In diesem Augenblick riss sich der Wind endlich los.
    Asmund stöhnte dumpf auf und verlor das Bewusstsein. Ritor konnte seinen taumelnden Körper im letzten Augenblick vom Rand des Abgrunds fortziehen.
    »Hinab! Alle hinab!«, schrie Ritor, während er den Strom des Schmerzes auf sich lenkte. »Sandra …«
    Aber weder sie noch Solli hörten ihn noch. Sie benötigten keine Anweisungen. Mit ausgebreiteten Armen standen sie da, versuchten sich auf dem Gipfel des Spitzzahns zu halten und lenkten den zerstörerischen Wirbelsturm hinter den Fluss in die Steppe, so weit wie möglich weg von ihrer Stadt. Die unsichtbare Faust des aufgewühlten Elements traf beide auf die Brust. Ritor sah, wie Sandras Kopf zuckte, wie dampfendes Blut in die Luft spritzte; die Zauberin schwankte, wedelte krampfhaft mit den Armen – ihre weit aufgerissenen Augen waren starr vor Entsetzen -, und mit rasendem Geheul stürzte sie in die Tiefe. Solli hielt sich, er stand – sein Gesicht war entstellt, die Haut auf den Wangenknochen geplatzt, die Augen waren fest zusammengekniffen; Ritor durchfuhr es heiß, denn so schnell hatte der Magier die Formel verändert. Der unsichtbare Hammer raste hinaus über die Stadt … und Ritor stand immer noch, wie versteinert, und hielt Asmunds Körper umklammert. Dem Hurrikan den Weg zu öffnen war Sandras und Sollis Aufgabe gewesen. Boletus hatte sie sichern sollen … wo war der eigentlich?

    Die Plattform auf dem Gipfel war leer. Weder die Alten, Roj und Gaj, noch der hakennasige Zauberer waren zu sehen. Nur der bewusstlose Asmund, Solli und er selbst. Ritor hielt bis zum Schluss die Flügel zusammen, die bereit waren, jede Sekunde aufzureißen. Denn dann würde die Stadt keine Magie mehr retten können.
    Über ihnen braute sich etwas Unvorstellbares zusammen. Das elegante Muster der Flügel verwandelte sich in ein fahlweißes Chaos, Flecken lebendiger Fäulnis auf dem dunklen Körper des Äthers. Ritor erahnte darin ein von unmenschlichem

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