Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow
Zorn verzerrtes Gesicht. Der Wirbelsturm knetete und zerrte den weißen Nebel, spann ihn zu gigantischen Windstrudeln über dem steilen Spitzzahn; die heulenden Windströme rasten in Richtung Nordwesten, den von Solli geöffneten Weg entlang, aber ihre Ränder brodelten und wurden auseinandergedrückt, so wie bei Hochwasser die Seiten hölzerner Ablaufrinnen auseinandergedrückt werden; unten am Fuße des Felsens herrschte tödliche Stille – der Vorbote eines vernichtenden Sturms oder … eines glücklichen Ausgangs.
»Nimm Asmund, und dann nichts wie weg von hier!«, sagte Ritor in scharfem Ton. Aber Solli schüttelte nur den Kopf. Wie er sich hielt, war Ritor ein Rätsel. Gleich einer Rasierklinge hatte der Wind dem Magier das Gesicht zerschnitten. An seinen Schläfen waren schon die Knochen freigelegt. Rinnsale aus Blut zogen sich über seinen Rücken, dennoch stand der Magier noch immer.
Jetzt erreichte der Wind Ritor, krallte sich an seinen Schultern fest, zerrte ihn mit unüberwindlicher Stärke zum Abgrund hin. Asmund wurde über die Steine hinterhergeschleift. Der Junge stöhnte und öffnete die Augen.
»Hinunter mit dir!«, befahl ihm Ritor. Der Junge konnte hier nichts mehr ausrichten. »Linse!«
Asmund nickte gehetzt. Offenbar hatte er begriffen, was er zu tun hatte.
Ritor schleuderte ihn wie einen Sack Mehl über den Rand der Plattform.
Es ist an der Zeit, dass du auslernst, Asmund.
Als Nächstes eilte Ritor Solli zu Hilfe. Zu zweit mussten sie ausharren, bis die am Steilfelsen versammelte Kraft sich erschöpft hatte.
Aber jetzt konnte Solli sich nicht mehr halten. Er hatte alles verloren. Sein Gesicht hatte sich in eine einzige blutige Maske verwandelt. Mit äußerster Grausamkeit hatte der Wind ihm den Skalp vom Kopf gerissen. Einen flüchtigen Augenblick lange wunderte sich Ritor, dass Solli noch am Leben war, dann brachte er den Magier mit einem genau berechneten Stoß in die Kniekehlen zu Fall.
Alles barst auseinander, niemand dirigierte mehr den wirbelnden, reißenden Windstrom, der nun in wilder Freude über seine Freiheit zu tanzen begann, hin und her raste wie ein junger, launischer Stier, von einer Seite zur anderen, und dabei alles zermalmte, was auf seinem Weg lag. Und vermutlich hätte er keinen geringen Schaden angerichtet, hätte der Clan der Luft beim Bau seiner Stadt nicht die Möglichkeit solch willkürlich gewalttätigen Wirkens in Betracht gezogen. Den Höhepunkt seiner Kraft hatte der Hurrikan überschritten; umgerissene Zäune, eingedrückte Fensterscheiben und hier und da entwurzelte Bäume nicht mitgerechnet.
Als das Heulen und Rasen sich gelegt hatte, sah Ritor von oben, wie die Menschen scharenweise aus ihren Häusern auf die Straßen der Stadt strömten. Sie liefen zum Felsen,
und Ritor wusste, dass sie sowohl Sandra als auch Asmund zu Hilfe eilten.
Vor Ritors Augen stand das Gesicht des jungen Mannes in seiner schwarzen Jacke und mit dem absurden Elfenschwert in den Händen. Das Gesicht des Drachentöters.
Viktor hatte nicht einen trockenen Faden mehr am Leib. Er zog sich aus, wrang seine Kleider aus und hängte sie an den Wänden des Abteils auf. Dann wickelte er sich in eine dicke kratzige Wolldecke ein und setzte sich ans Fenster.
Wahrscheinlich war seine Platzwahl mit eigenem Abteil ein wenig übertrieben gewesen. Das hier war ein ganzes Zimmer auf Rädern. Die Wände waren mit rosafarbener Seide bespannt, an der Decke hingen zwei Lampen mit Schirmen aus farbigem Glas. Ein großes schweres Bett, das eher in ein Museum als in einen Zug gepasst hätte, ein runder Tisch mit zwei Sesseln und eine mit Flaschen und Krügen gefüllte Bar aus geschnitztem Mahagoni standen darin. So war es richtig, nach dem Wahnsinn auf dem Bahnsteig war nun ein Augenblick der Behaglichkeit gekommen.
Jaroslaw sah ebenfalls zum Fenster hinaus. Viktor fühlte sich nicht ganz wohl neben dem schweigsamen und beherrschten Jungen – nein, das war natürlich keine Gleichgültigkeit und auch kein Zynismus … Und doch hätte er von einem Jungen, der gerade drei Brüder und den Vater verloren hatte, eine andere Reaktion erwartet.
»Kennst du dieses Medaillon?« Viktor deutete zu dem Miniaturporträt auf dem Tisch.
»Ja.«
»Woher?«
»Es hing bei uns zu Hause an der Wand. Manchmal hat Vater es mit sich genommen … wenn er für längere Zeit fortging.«
Was für eine erschöpfende Auskunft …
»Jaroslaw, ich verstehe noch nicht viel von eurer Welt.«
Der Junge rückte ein wenig
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