Drachenreiter
duftenden Blumen. Kiesbart hörte, wie er mit den Zähnen knirschte, sich schmatzend die Lippen leckte und heiser vor sich hin lachte. Das war wohl das, was man Jagdlust nannte. Der Zwerg gähnte und dachte an die große Höhle. Was für wunderbare Steine gab es dort, was für nie gesehene Schätze. Aber der Kampf! Diese zwanzig Drachen würden sich bestimmt nicht einfach fressen lassen. Kiesbart runzelte die Stirn und schniefte von der Kälte. So ein Kampf war gefährlich für kleine Leute wie ihn. Da konnte man leicht unter die Tatzen kommen.
»He, Euer Goldheit!«, rief er. »Ich glaub, ich bleibe besser hier, oder? Ich stör Euch doch nur bei Eurem großen Kampf.«
Aber Nesselbrand beachtete ihn überhaupt nicht. Er zitterte vor Jagdeifer. Schnaufend begann er sich den Berghang hinaufzuschieben.
»Ich könnte abspringen«, dachte Kiesbart. »Er wird es gar nicht merken. Und ich lauf ihm nach, wenn alles vorbei ist.« Er lugte nach unten. Aber die Erde war weit, weit entfernt. Der Steinzwerg rutschte unruhig hin und her. Feine Schneeflocken wehten vom Himmel und bedeckten seinen Hut. Der Wind strich über die Felsen und erfüllte die Nacht mit Stöhnen und Seufzen. Nesselbrand gefiel das. Er liebte die Kälte. Sie machte ihn stark. Höher und höher stieg er, schnaufte und prustete unter dem Gewicht seines Panzers. Tief gruben sich seine Tatzen in den frisch gefallenen Schnee.
»Dieser Homunkulus«, grunzte er, während die weißen Gipfel langsam näher kamen. »Ich wusste, dass er es nicht wagen würde, mich zu verraten. Ein kluges Kerlchen ist er, nicht so ein goldgieriger Hohlkopf wie du, Zwerg.«
Kiesbart runzelte die Stirn und schnitt Nesselbrand heimlich eine Grimasse.
»Trotzdem«, der große Drache hievte sich die Felsen hinauf, »ich glaube, ich werde ihn auffressen. Er ist zu frech für einen Panzerputzer. Ich werde dich behalten.«
»Was?« Erschrocken setzte Kiesbart sich auf. »Was habt Ihr gesagt?«
Nesselbrand lachte abscheulich. »Du bleibst mein Panzerputzer, das habe ich gesagt. Und jetzt halt den Mund. Ich muss mich auf die Jagd konzentrieren. Aaah!« Er leckte sich das Maul und grub die Pranken in die Flanke des Berges. »Sie sind so nah. Endlich ganz nah. Ich werde sie wie Täubchen von der Höhlendecke knabbern.«
Kiesbart klammerte sich bibbernd an eins der Hörner. »Ich will aber nicht Euer Panzerputzer bleiben!«, schrie er in Nesselbrands Ohr. »Ich will meine Belohnung und dann will ich wieder nach Steinen suchen.«
»Ach, Papperlapapp!« Nesselbrand ließ ein bedrohliches Knurren hören. »Halt den Mund oder ich fress dich noch vor dem Homunkulus und wo soll ich dann einen neuen Panzerputzer herbekommen?« Ächzend blieb er auf einem Felsvorsprung stehen. »Wo ist es?«, fragte er und legte den Kopf in den Nacken. »Es ist doch nicht mehr weit, oder?«
Kiesbart schniefte. Seine schwieligen Fäuste ballten sich vor Zorn . »Ihr habt es mir versprochen!«, schrie er in den eisigen Wind.
»Wo - ist - es?«, brüllte Nesselbrand. »Zeig es mir, Panzerputzer, oder soll ich dich auf der Stelle fressen?«
»Da!« Kiesbart hob einen zitternden Finger und zeigte nach oben. »Da ist es, da, wo der Schnee sich in die große Mulde setzt.«
»Gut«, knurrte Nesselbrand und stemmte sich schnaubend den Rest des Weges hinauf.
Kiesbart saß zwischen seinen Hörnern und kaute auf seinem Bart vor Wut. Wenn er schon seinen Lohn nicht bekommen sollte, dann war er auch auf der Stelle kein Panzerputzer mehr.
Ohne einen Laut begann er Nesselbrands Hals hinunterzugleiten, ganz langsam, ganz leise, mit allem Geschick, das er beim Klettern in den Bergen erworben hatte. Als Nesselbrand sich gegen die Felsplatte stemmte, die seine Beute verbarg, sprang sein Panzerputzer in den Schnee. Und als die Felsplatte zur Seite glitt und Nesselbrand sich mit schleifendem Schwanz in den Tunnel schob, huschte Kiesbart lautlos hinter ihm her. Auf eigenen Füßen und in sicherem Abstand. Nicht um die große Jagd zu sehen. Nein. Er wollte nur endlich zurück in die wunderbare Höhle.
NESSELBRANDS ENDE
Schwefelfell rannte. Sie rannte den endlos langen Tunnel entlang. »Er kommt!«, rief sie. »Er kommt!«
Wie ein Pfeil schoss sie in die Höhle, lief auf Lung zu und zog sich an seinem Schwanz hoch. Ben saß schon auf seinem Rücken, mit Fliegenbein auf dem Schoß, wie in all den vielen Nächten ihrer Reise. Burr-burr-tschan hockte zwischen Majas Rückenzacken.
»Wie eine Menschenmaschine wälzt
Weitere Kostenlose Bücher