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Drachenreiter

Titel: Drachenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
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verblüfft die Augen auf. Ein kleiner Mann saß darin, das Gesicht in den Händen vergraben, mit struppigem karottenroten Haar und spindeldürren Armen und Beinen. Er trug seltsame Kniebundhosen, eine lange, enge Jacke mit großem Kragen und winzige spitze Stiefel.
    »Tja, Ihrer Meinung nach ist das wahrscheinlich auch wieder eine Mutation«, meinte Professor Wiesengrund.
     
    Sein dicker Kollege schüttelte den Kopf. »Nein, nein, das dürfte eine sehr komplizierte kleine Maschine sein. Wir forschen schon intensiv nach, wer sie hier im Lager verloren hat. Sie lag heute Morgen zwischen den Zelten, ziemlich durchnässt. Ein Rabe rupfte an ihren Kleidern herum. Wir konnten noch nicht feststellen, wie man sie abstellt, deshalb haben wir sie in den Käfig gesetzt.«
    Professor Wiesengrund nickte. Nachdenklich blickte er auf den kleinen Mann hinunter. Auch Ben konnte keinen Blick von dem seltsamen Geschöpf wenden. Nur Schwefelfell schien der Winzling nicht zu interessieren. Sie hatte auch den Menschen wieder den Rücken zugekehrt.
    »In einem Punkt haben Sie Recht, Schwertling«, sagte Professor Wiesengrund und trat noch etwas näher an den winzigen Gefangenen heran. »Das ist in der Tat kein Geschöpf der Natur wie der Kobold da. Nein, das ist ein künstliches Wesen. Allerdings nicht, wie Sie denken, eine kleine Maschine, sondern ein Wesen aus Fleisch und Blut, erschaffen von einem Menschen. Die Alchimisten im Mittelalter waren sehr geübt in der Herstellung solcher Wesen. Ja, ohne Zweifel.« Er trat wieder etwas zurück. »Das ist ein echter Homunkulus.«
    Ben sah, wie der kleine Mann erschrocken den Kopf hob. Seine Augen waren rot, sein Gesicht weiß wie Schnee und seine Nase lang und spitz.
    Professor Schwertling aber lachte. Er lachte so dröhnend laut, dass die Hühner in ihren Käfigen herumflatterten und der Affe erschrocken zu schnattern begann. »Wiesengrund, Sie sind einmalig!«, rief er. »Ein Homunkulus! Wissen Sie was? Ich würde zu gern hören, welche verrückte Erklärung Sie für die seltsamen Spuren am Strand haben. Kommen Sie mit. Wir sehen sie uns gemeinsam an. Einverstanden?«
    »Nun, eigentlich wollte ich zu der Basiliskenhöhle zurück, die ich entdeckt habe«, Professor Wiesengrund warf einen letzten Blick auf die Gefangenen. »Ich habe da ein paar sehr interessante Hieroglyphen entdeckt. Aber ein paar Minuten kann ich erübrigen. Was meinen Sie, Schwertling, lassen Sie die beiden hier frei, wenn ich Ihnen die Spuren erkläre?«
    Professor Schwertling lachte wieder. »Sie und Ihre Scherze! Seit wann lässt man denn frei, was man gefangen hat?«
    »Ja, seit wann?«, murmelte Professor Wiesengrund. Dann drehte er sich mit einem Seufzer um und ging mit seinem dicken Kollegen, den er um mehr als einen Kopf überragte, davon. Ben sah den beiden nach. Wenn dieser Wiesengrund wusste, dass Schwefelfell ein Kobold war, dann würde er wahrscheinlich auch die Drachenspuren erkennen. Es wurde wirklich Zeit, dass sie zu Lung zurückkehrten.
    Besorgt blickte Ben sich um. Ein paar Leute standen immer noch um die Käfige herum. Ben hockte sich neben der großen Palme in den Staub und wartete. Eine endlos lange Zeit verstrich, bis alle wieder an ihre Arbeit gingen. Als der Platz endlich menschenleer war, sprang Ben auf und lief zu Schwefelfells Käfig. Vorsichtig sah er sich noch mal um. Nur eine magere Katze schlich vorüber. Der kleine Mann hatte das Gesicht wieder in den Händen vergraben.
    »Schwefelfell!«, zischte Ben. »Schwefelfell, ich bin's.«
    Überrascht fuhr das Koboldmädchen herum. »Na, endlich!«, fauchte sie. »Ich dachte schon, du kommst erst, wenn mich diese ekelhaften Stinkschirmlinge ausgestopft haben.«
    »Ja, ja, beruhige dich«, brummte Ben und untersuchte das Käfigschloss. »Ich bin schon eine ganze Weile hier, aber was sollte ich machen, solange alle hier rumstehen und sich die Köpfe drüber heiß reden, ob du ein Affe bist oder nicht?«
    »Einer hat mich erkannt«, zischte Schwefelfell durch die Stäbe. »Das gefällt mir nicht!«
    »Kommst du wirklich aus Schottland?«, fragte Ben.
    »Das geht dich nichts an.« Schwefelfell warf ihm einen beunruhigten Blick zu. »Was ist? Kriegst du das Ding auf?«
    Ben zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Sieht gar nicht so einfach aus.« Er zog sein Taschenmesser aus der Hosentasche und steckte die Spitze in das Schloss.
    »Beeil dich!«, wisperte Schwefelfell und blickte sich besorgt um. Zwischen den Zelten war niemand zu sehen.
    »Die sind alle

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