Drachenreiter
war ihm nie schwindelig geworden, aber es war ein ganz anderes Gefühl hilflos in der Luft zu baumeln, ohne Halt, mit nichts als dem Himmel zwischen sich und der Erde.
Er war Vogelfutter. So hatte er sich das Ende dieser Reise nicht vorgestellt. Ben biss die Zähne zusammen, aber sie klapperten trotzdem. Ob vom Wind oder vor Angst, das konnte er nicht sagen. Plötzlich flog der Riesenvogel auf eine zerklüftete Felswand zu, stieg hoch und höher - und ließ Ben fallen.
Der Junge stieß einen Schrei aus - und plumpste in ein gewaltiges Nest, das wie eine struppige Krone auf der Spitze eines Felsens saß. Es war gebaut aus den Stämmen ausgerissener Bäume. In seiner Mitte, auf einem dicken Polster aus Federn, hockte ein Vogeljunges. Mit heiserem Krächzen und weit aufgerissenem Schnabel begrüßte es seine Mutter, aber die breitete schon wieder die Flügel aus und flog davon um neue Beute zu suchen.
Mit einem Ruck wandte das Junge seinen Kopf, auf dem kaum mehr als ein paar Stoppeln wuchsen, und starrte mit hungrigen Augen auf Ben hinunter.
»Verdammt!«, flüsterte Ben. »Oh, verdammt!«
Verzweifelt sah er sich um. Es gab nur eine Möglichkeit, wie er sich vor dem hungrigen Schnabel retten konnte. Er sprang auf und kämpfte sich durch die Federn auf den Nestrand zu.
Das Junge krächzte erbost, als es seine Beute davonlaufen sah. Es hackte mit seinem Riesenschnabel nach Ben, aber er konnte sich noch gerade zur Seite werfen. Verzweifelt wühlte er sich unter die Federn und kroch darunter weiter, bis seine Finger an den Nestrand stießen. Gerade als er sich zwischen die schützenden Stämme zwängen wollte, packte das Küken sein Bein. Mit letzter Kraft zerrte Ben es aus dem scharfen Schnabel und schob sich zwischen die verflochtenen Baumstämme.
Das Vogeljunge ruckte überrascht mit dem Kopf, richtete sich tollpatschig auf und pickte gegen die Nestwand. Aber Ben war so tief zwischen die Zweige gekrochen, dass der Schnabel ihn nicht erreichte. Immer wütender hackte das Küken zu. Es riss ganze Baumstämme los, doch jedes Mal, wenn es sich zu Bens Versteck vorgegraben hatte, schob er sich in die nächste Lücke. Die Äste und Zweige spießten ihn fast auf. Sie zerrissen ihm die Kleidung und zerkratzten sein Gesicht, aber das war immer noch besser, als in dem hungrigen Schnabel zu landen.
Als das Junge in seiner Wut schon die Hälfte des Nestrands zerrupft hatte, hörte Ben plötzlich ein Brüllen. So laut und zornig schallte es durch die Schluchten, dass das Küken erschrocken den nackten Hals herumriss. Das ist Lung!, dachte Ben. Ganz bestimmt! Sein Herz klopfte schneller, aber diesmal vor Freude. Dann hörte er, wie jemand seinen Namen rief. »Schwefelfell!«, schrie er. »Schwefelfell, ich bin hiiiier. Hier oben!«
Das Vogeljunge ruckte mit dem Kopf und sah wieder in seine Richtung. Aber Ben wühlte sich trotzdem zwischen den Ästen hervor, bis er in die Schlucht hinuntersehen konnte. Da kam Lung. Mit rauschenden Flügeln schoss er auf das Riesennest zu. Schwefelfell hockte auf seinem Rücken und fuchtelte mit den Fäusten.
»Wir kommen!«, schrie sie. »Lass dich nicht fressen!«
Mit heftig schlagenden Flügeln ließ Lung sich auf dem Nestrand nieder, nur wenige Handbreit von der Stelle, an der Ben zwischen den Bäumen steckte. Der junge Riesenvogel fuhr erschrocken zurück. Er krächzte heiser und öffnete drohend den Schnabel. Besorgt sah Ben, dass Lung nicht viel größer war als das Küken. Aber als es wieder versuchte, nach Ben zu hacken, entblößte der Drache die Zähne und knurrte so bedrohlich, dass es erschrocken zurückfuhr.
Ben zwängte sich zwischen den Ästen hindurch, bis sein Kopf neben Lungs Tatzen auftauchte.
»Oh, junger Herr!«, rief Fliegenbein und beugte sich besorgt von Lungs Rücken herunter. »Seid Ihr unverletzt?«
»Ja, ist er! Aber nicht mehr lange!« Schwefelfell hangelte sich an Lungs Hals herunter und zerrte an Bens Hand. Zweige krallten sich in die Kleidung des Jungen, aber Schwefelfell schaffte es, ihn aus dem Gestrüpp zu ziehen und auf Lungs Rücken zu schubsen.
Fliegenbein klammerte sich an Bens Jacke und suchte mit den Augen besorgt den Himmel ab. Aber noch war der Muttervogel nicht zu entdecken.
Lung knurrte das Junge ein letztes Mal drohend an, dann breitete er die Flügel aus und schwang sich wieder in die Luft. Wie ein Pfeil schoss er davon, flog einen Bogen und glitt die Schlucht hinunter. Aber er kam nicht weit.
»Da!«, schrie Fliegenbein und deutete mit
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