Drachenreiter
er durch das dunkle Wasser, scheuchte Pelikane und Flamingos aus dem Schlaf und schnappte nach allem, was ihm vors Maul flatterte.
»Euer Goldheit!«, flüsterte Kiesbart. »Ich kann nicht schwimmen.«
»Das brauchst du ja auch nicht.« Nesselbrand hob schnuppernd die Nase aus dem Wasser. »Ah, er ist über uns«, knurrte er. »Er kommt nicht schnell voran. Der Wind bläst ihm aus den Bergen entgegen. Das ist gut.«
»Euer Goldheit!« Kiesbart klammerte sich an Nesselbrands Horn.
»Was ist denn nun schon wieder?«
»Kennt Ihr diesen Fluss? Habt Ihr ihn schon mal durchschwommen?«
»Ja«, knurrte Nesselbrand. »Damals, als die Drachen mir wegen der verfluchten Schlange entkommen sind. Rauf und runter bin ich diesen Fluss geschwommen. Die Krallen habe ich mir abgelaufen in den verdammten Bergen, aus denen er kommt. Keine Spur von ihnen. Nichts. Keine Schwanzspitze, keine Schuppe. In Luft hatten sie sich aufgelöst. Aber jetzt«, er schlug den Schwanz so heftig ins Wasser, dass die Wellen bis ans ferne Ufer schwappten, »jetzt wird der da oben mich zu ihnen führen. Und wenn auch er sie nicht findet, dann jage ich ihn eben. Das ist besser als nichts.«
Kiesbart lauschte nur mit halbem Ohr auf das, was sein Meister da redete. Es war still auf dem riesigen Fluss. Nur die Geräusche des Wassers waren zu hören. Es plätscherte und schlürfte, schwappte und klatschte gegen Nesselbrands Schuppen. »Wisst Ihr, woraus die Berge bestehen, aus denen der Fluss kommt?«, fragte der Zwerg. »Wie sieht es in ihren Bäuchen aus? Gibt es Gold dort, Gold und edle Steine?«
»Weiß ich nicht«, knurrte Nesselbrand und schnappte nach einem fetten Fisch, der leichtsinnigerweise vor ihm aus dem Wasser sprang. »So was interessiert nur Menschen und Zwerge.«
Den Rest der Nacht schwammen sie schweigend gegen die Strömung. Lung war schon ein Stück voraus, aber das beunruhigte Nesselbrand nicht. Der Mond würde bald im Dämmerlicht des Morgens verblassen und der silberne Drache würde sich ein Versteck für den Tag suchen müssen. Nesselbrand aber würde tief in die Fluten des Flusses tauchen, so tief, dass nur seine Hörner heraussahen und der Zwerg gerade noch nach Luft schnappen konnte - und dann würde er so lange warten, bis ihm der Duft des Drachen wieder deutlich in die Nase zog. Nein, Lung konnte ihm nicht mehr entkommen.
GERAUBT
»Da sind sie!«, rief Ben. »Die habe ich in Asifs Auge gesehn! Ganz sicher! Siehst du sie, Lung?«
Aufgeregt zeigte er nach Osten, wo das rote Licht der aufgehenden Sonne auf ein seltsam geformtes Gebirge fiel. Zwei Nächte waren sie schon geflogen, über heißes, flaches Land, über Seen, die mit Vögeln bedeckt waren, und uralte Festungen auf grünen Bergen, die aussahen, als wäre die Zeit stehen geblieben. Einige Orte waren Ben bekannt vorgekommen. Einige glaubte er schon gesehen zu haben in den Augen des Dschinns. Aber an diese Berge dort erinnerte er sich ganz genau. Sie sahen aus wie der gezackte Rücken eines schlafenden Drachen.
»Pass auf, du wirst noch die Riemen zerreißen, so wie du rumzappelst!«, schimpfte Schwefelfell, während Lung sich langsam tiefer sinken ließ.
»Ich bin ganz sicher, Schwefelfell!«, rief Ben. »Hinter den Bergen muss das Kloster liegen!«
»Sie sind noch weit weg!«, rief Lung. »Aber bis zu ihren Ausläufern schaffen wir es.«
Mit ein paar Flügelschlägen glitt er über den Fluss, der sich schäumend zwischen den felsigen Ufern seinen Weg suchte. Der Mond verblasste schon, doch Lung flog weiter, bis die Ausläufer der Drachenberge wie felsige Pranken unter ihm lagen. Suchend kreiste er über den Hängen, bis er auf einem Felskamm aufsetzte.
Hinter ihnen rauschte in der Tiefe der Fluss. Vor ihnen wuchsen die Berge erst sacht, dann immer steiler in den Himmel. Gipfel reihte sich an Gipfel wie Zacken eines Riesendrachen. Das Gebirge dahinter war noch höher. Seine schneebedeckten Hänge glitzerten in der Morgensonne.
Mit einem Ruck setzte Lung zwischen den Felsen auf, streckte gähnend die müden Glieder und ließ Ben und Schwefelfell von seinem Rücken klettern.
»Wir scheinen auf dem richtigen Weg zu sein«, sagte Schwefelfell und sah sich um. »Von Menschen keine Spur. Nur die Straße da unten am Fluss und die sieht aus, als hätte sie seit Jahrhunderten keiner mehr benutzt.«
»Bin ich müde!«, murmelte Lung und ließ sich gähnend im Schatten eines Felsblocks nieder. »Ich habe zu wenig geschlafen und zu viel geredet in den
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