Drachenritter 01 - Die Nacht der Drachen
Abhang herunter und auf sie zuzukriechen, eine glitzernde Spur auf den Felsen und dem Sand hinter sich lassend.
»Der Wurm«, sagte Carolinus leise.
»… der getötet werden kann«, brummte Smrgol nachdenklich.
»Wenn auch nicht ganz einfach. Verflucht, ich wünschte, es wäre Bryagh allein!«
»Aber auch mit diesen beiden ist es noch nicht getan.« Wieder schlug Carolinus dreimal auf die Erde.
»Kommt hervor!« schrie er, und seine Greisenstimme piepste hoch in der zitternden Luft. »Bei den Mächten! Kommt hervor!«
Und dann sahen sie es.
Hinter der großen Barrikade von riesigen Felsen nahe der Kuppe des Turmhügels erhob sich langsam eine kahle, glänzende Halbkugel aus haarloser grauer Haut. Allmählich ließen sich zwei völlig runde, blaue Augen erkennen, unter denen sich keine richtige Nase ausmachen ließ, sondern statt dessen zwei nebeneinanderliegende Luftschlitze, als wäre dieser ganze ungeheure, nackte Schädel einfach mit einem Laken aus dicker Haut überzogen. Als das Wesen sich weiter erhob, zeigte dieser unnatürliche Kopf – groß wie ein Wasserball – seinen breiten, idiotisch grinsenden Mund, völlig lippenlos und mit zwei Reihen gezackter, aber aufeinander passender spitzer Zähne.
Mit einer schwerfälligen, einstudierten Bewegung erhob sich die Kreatur auf die Beine und stand aufrecht zwischen den Felsbrocken. Die Gestalt war entfernt menschenähnlich, aber die menschliche Rasse hatte sie eindeutig niemals hervorgebracht. Gute zwölf Fuß maß sie in der Länge, ein grobes Flickwerk aus ungegerbten Fellen, besetzt mit Knochen, Metallstückchen und Bündeln winziger Farbpunkte, vielleicht Edelsteinen, und zu einem Kilt verarbeitet, der die dicke Taille umschloß.
Aber das waren nicht die einzigen Unterschiede zur menschlichen Rasse. Das Wesen hatte erstens überhaupt keinen Hals. Sein unnatürlicher, haarloser, beinahe gesichtsloser Kopf balancierte wie ein Apfel auf völlig eckigen Schultern mit grauer, körnig aussehender Haut. Der Rumpf war ein gerader Stamm, aus dem Arme und Beine in unverhältnismäßigem Umfang und seltsamer Rundheit sproßten und wie Rohre aussahen. Die Knie waren durch den Kilt, und die Waden durch die Felsen verborgen; aber die Ellbogen der übergroßen Arme hatten unnatürliche Scharniere, die Unterarme waren beinahe ebenso lang wie die Oberarme und hatten so gut wie keine Handgelenke, die Hände selbst waren ungeschlachte, dickfingrige Karikaturen der menschlichen Extremitäten, mit nur drei Fingern, von denen einer ein gegenstehender Daumen mit nur einem Gelenk war.
Die rechte Hand hielt eine mit rostigen Metallbändern beschlagene Keule, die sicher nicht einmal ein solches Monster heben konnte. Und doch vermochte eine der krummfingrigen Hände sie leicht zu schwingen, so mühelos, wie Carolinus seinen Stab getragen hatte.
Das Monster öffnete den Mund.
»He!« machte es. »He! He!«
Der Klang ließ einen erschauern. Es war ein unglaublich tiefes, humorloses Kichern, wenn man sich so etwas überhaupt vorstellen kann. Und obwohl der Ton etwa der tiefsten Note einer Tuba mit drei Ventilen entsprach, kam er deutlich aus der Kehle und dem Kopf des Ungeheuers. Nachdem das Monster seine Stimme hatte ertönen lassen, verfiel es in Schweigen und beobachtete den Vormarsch der großen Schnecke mit seinen runden hellblauen Augen.
Jim merkte, daß sein Drachenmaul offenstand und er wie ein Hund nach einem langen Lauf hechelte. Neben ihm bewegte sich Smrgol langsam.
»Ja«, polterte er traurig, fast als rede er nur mit sich selbst. »Das habe ich befürchtet. Ein Unhold.«
In dem darauf folgenden Schweigen stieg Sir Brian von Blanchard und begann die Sattelgurte festzuziehen.
»Ja, ja, Blanchard«, brummte er leise. Aber das große weiße Pferd zitterte so heftig, daß es nicht stillstehen konnte. Brian schüttelte den Kopf, und seine Hände ließen die Sattelgurte fahren. »Ich muß, scheint es, zu Fuß kämpfen«, sagte er.
Die übrigen sahen Carolinus an. Der Zauberer lehnte auf seinem Stab und sah wirklich sehr alt aus; die Falten in der verwitterten Haut seines Gesichts wirkten noch tiefer. Er hatte den Unhold beobachtet, aber jetzt wandte er sich wieder Jim und den anderen beiden Drachen zu.
»Ich hatte immer noch gehofft«, sagte er, »daß es nicht so weit kommen müßte. Jedoch …« – er deutete mit der Hand auf den sich nähernden Wurm, den jetzt schweigenden Bryagh und den lauernden Unhold – »wie man sieht, bewegt sich die Welt niemals so,
Weitere Kostenlose Bücher