Drachenritter 02 - Der Drachenritter
eingeholt hat?«
»Nicht viel länger als einen Tag, Sir James«, antwortete Raoul. »König Jean wird bestimmt darauf brennen, sich mit den Eindringlingen zu messen. Und das dürfte auch für seine Ritter gelten. Sobald sie die englischen Streitkräfte gesichtet haben, werden sie Schlachtordnung einnehmen. Das dürfte etwa einen halben Tag in Anspruch nehmen.«
»Dann haltet Ihr es also für möglich, daß die Schlacht morgen um die Mittagszeit ihren Anfang nehmen könnte?«
Sir Raouls hageres Gesicht verzog sich zu einem bitteren Lächeln.
»Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel, Sir James«, sagte er.
»Dann werde ich dies den anderen mitteilen«, sagte Jim. »Wir müssen uns nach Kräften beeilen. Heute sind wir ausgeruhter, deshalb reiten wir heute!«
Und so ritten sie. Dank der Polster und der Reiterfahrung der letzten beiden Tage hielt Jim sich besser als erwartet. Er vermutete, daß es den anderen ebenso erging. Sie beklagten sich nicht und zeigten anders als am Vortag keine Anzeichen von Müdigkeit. Sie kamen gut voran.
Kurz nach Anbruch der Dunkelheit erreichten sie die Ausläufer der englischen Armee und bezogen Nachtquartier in einer stark zerstörten Kapelle in einiger Entfernung von den englischen Lagerfeuern. Die Kapelle war so klein, daß man unwillkürlich staunte, wieviel Arbeit man sich mit einem Gebäude gemacht hatte, daß so wenige Gläubige aufzunehmen vermochte.
32
Jim erwachte vor Tagesanbruch von Stimmenlärm und Pferdegetrappel. Er spähte aus den Trümmern der zerstörten Kapelle hervor, in der sie sich zur Nachtruhe gebettet hatten, und erblickte etwa ein Dutzend vorbeireitende Bewaffnete. Allem Anschein nach handelte es sich um einen Erkundungstrupp mit dem Auftrag, die Gegend nach Eßbarem für die englische Armee zu durchstöbern.
Die Kapelle beachteten sie nicht. Jim folgerte daraus, daß man diese als uninteressant abgetan hatte, was nur gut für sie war, da die Pferde am Wald hinter der Kapelle festgebunden waren; wenn der Erkundungsstrupp eine nur geringfügig andere Richtung eingeschlagen hätte, wäre er über sie gestolpert. So aber waren sie und die Pferde in Sicherheit – jedenfalls für den Augenblick.
Jim warf die Satteldecke ab, in die er sich zum Schlafen eingerollt hatte, stand fröstelnd auf, trat nach draußen und schaute sich im Licht des anbrechenden Tages um.
Über einen kurzen Weg gelangte er durch die Bäume vor der Kapelle zu einer Freifläche, wo der englische Trupp kampiert hatte. Die Stelle lag auf einer kleinen Anhöhe und bot Ausblick in die Ferne. Es war bereits so hell, daß Jim bis zum Horizont blicken konnte, und was er sah, versetzte ihm einen gehörigen Schrecken.
Die französische Armee war bereits da. Aufstellung genommen hatte sie anscheinend noch nicht. Aber sie hatte auf offener Wiesenlandschaft kampiert in etwa einer halben Meile Abstand von der englischen Armee.
Sie hatten keine Zeit mehr zu verlieren. Jim ging zur Kapelle zurück und weckte die anderen.
»Frühstück!« krächzte Brian automatisch, als er geweckt wurde – wie ein Nestling, der piepsend den saftigen Wurm einforderte, mit dem ein Elternteil auf dem Nestrand gelandet war.
»Nur kaltes Essen«, sagte Jim. »Jetzt, wo Erkundungstrupps in der Nähe sind, können wir es nicht riskieren, ein Feuer zu machen.«
Schließlich hatten sie sich alle im Freien versammelt, und Giles und Brian verteilten das letzte Brot und Fleisch.
»Giles, Brian, Dafydd«, sagte Jim, »Ihr werdet mit mir die englischen Reihen durchsuchen, bis wir John Chester und unsere Männer gefunden haben. Sobald wir sie entdeckt haben, sollen sie sich in aller Stille zu zweien und dreien möglichst unauffällig verdrücken und sich hier an der Kapelle sammeln.«
»Und wie steht es mit mir, Sir James?« fragte Edward. »Wäre es nicht besser, wenn ich einfach losritte und mich meinen Leuten zeigte?«
»Es wäre zu riskant, wenn Ihr Euch blicken ließet, Hoheit«, antwortete Jim. »Jedenfalls solange, wie die meisten glauben, Ihr wärt zum französischen König übergelaufen. Man würde Euch auf der Stelle umzingeln und wahrscheinlich als Feind behandeln. Auf jeden Fall würde man Euch anpöbeln, und die englischen Streitkräfte würden sich in jene spalten, die Euch glauben, und jene, die Euch mißtrauen, während sie sich doch vielmehr auf den Angriff der Franzosen vorbereiten sollten. Warten wir lieber ab, bis unsere Männer hier sind. Dann läßt es sich vielleicht einrichten, daß Ihr
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