Drachenritter 02 - Der Drachenritter
hob die Augenbrauen, sagte aber nichts. Giles stellte keine Fragen, sondern kam einfach mit. Gemeinsam gingen sie etwas tiefer in den Wald.
»Wo gehen wir hin, Sir James?« fragte der Prinz nach einer Weile. »Ich dachte, Ihr wolltet bloß ein Stück beiseite treten, damit man uns nicht belauschen kann. Jetzt aber sieht es ganz so aus, als brächtet Ihr mich irgendwohin.«
»So ist es, Hoheit«, antwortete Jim. »Geduldet Euch noch einen Moment. Es ist nicht mehr weit.«
Gefolgt von Sir Giles, gingen er und der Prinz noch ein paar Schritte weiter. Dann hatten sie den Waldstreifen durchquert und gelangten zu der zerstörten Kapelle, die sie am Vorabend aufgesucht hatten. Jim führte den Prinzen zur Ruine und blieb dort stehen.
»Euer Hoheit«, sagte er, »ich weiß, daß Ihr lieber beim Angriff dabeisein oder Euch zumindest irgendwo in der Nähe aufhalten würdet. Bedenkt jedoch, daß alles verloren wäre, sollte Euch etwas zustoßen oder sollten wir Euch durch irgendeinen Zufall verlieren. Für die englischen Streitkräfte wäre alles verloren. Für England wäre alles verloren. Inmitten der Steine befindet sich eine kleine Nische etwa von der Länge eines Mannes. Sie ist gerade so breit, daß sie einem Mann Platz bietet. Wenn Ihr dort hineinkriecht und Sir Giles den Eingang bewacht, kommt niemand an Euch heran. Ihr seid nicht nur geschützt, sondern auch versteckt.«
Der Prinz errötete.
»Sir James, was erdreistet Ihr Euch!« sagte er. »Ich bin kein kleiner Junge und auch kein Bediensteter, der sich solange versteckt, bis der Krieg vorbei ist. Und deshalb werde ich mich auch nicht verstecken. Ich werde auf der Stelle zu den anderen zurückgehen und den Platz einnehmen, von dem aus ich den Angriff beobachten kann!«
Er wandte dem Haufen behauener Steine den Rücken zu.
»Euer Hoheit! Bleibt stehen!« sagte Jim, ohne sich von der Stelle zu rühren. »Denkt an Eure Pflicht! Denkt an Eure Verpflichtung Eurem Vater und England gegenüber. Bleibt wenigstens solange stehen, um zu überdenken, was ich Euch soeben gesagt habe!«
Der Prinz hatte sich bereits in Bewegung gesetzt, doch wurden seine Schritte immer langsamer, bis er endlich ganz stehenblieb. Zögerlich wandte er sich um und kam wieder zurück. Vor Jim blieb er stehen.
»Ich erachte die Gefahr für weitaus geringer als Ihr, Sir James«, sagte er in ruhigem Ton. »Ihr vergeßt, daß ich ein englischer Prinz bin. Lebend bin ich von unendlich größerem Wert als tot. Selbst wenn die Franzosen mich finden und umzingeln sollten, so daß für mich keine Hoffnung mehr bestünde, zu fliehen oder mich freizukämpfen, so würden sie sich doch nach Kräften bemühen, mich lebend gefangenzunehmen. Und mein Vater würde mich beizeiten mit einem Lösegeld freikaufen. Anders kann es gar nicht sein.«
»Nein. Überlegt doch mal!« entgegnete Jim. »Malvinne hat einen falschen Prinz Edward erschaffen, den er vollständig beherrscht. Und in Wirklichkeit wird Frankreich jetzt von Malvinne regiert. Die Macht liegt beim König, daran besteht kein Zweifel. Aber der Wille hinter dieser Macht ist Malvinnes Wille. Kein Franzose würde Euch umbringen wollen. Wie Ihr schon sagtet, würden sie Euch eher gefangennehmen als töten. Kein Franzose – mit einer Ausnahme. Und diese Ausnahme ist Malvinne. Solange Ihr lebt, stellt Ihr eine Bedrohung für den falschen Prinzen dar, den er erschaffen hat. Ihr könnt sicher sein, daß Malvinne Euch von dem Augenblick an, da Ihr aus seiner Burg geflüchtet seid, gejagt hat, nicht um Euch zurückzuholen, nicht um Euch gefangenzunehmen und ein Lösegeld mit Euch zu erpressen, sondern um Euch zu vernichten – im geheimen und vollständig –, damit niemand mehr die Echtheit des Wesens, das er erschaffen hat, bestreiten kann.«
Jim verstummte. Er wartete ab, wie der Prinz reagieren würde. Auch der Prinz stand einfach nur da und sah an Jim vorbei. Schließlich seufzte er und ließ die Schultern hängen. Er sah wieder zu Jim.
»Auch diesmal wieder, Sir James«, sagte er, »habe ich Euch wider Willen zugehört. Aber Ihr habt recht, ich habe eine Verpflichtung. Ob es sich damit so verhält, wie Ihr gesagt habt, weiß ich nicht. Im Moment aber will es mir richtig erscheinen. So sei es denn. Wo ist das Sumpfloch, in das ich mich verkriechen soll?«
»Zu kriechen braucht Ihr nicht, Euer Hoheit«, sagte Jim. »Ihr könnt aufrecht hineingehen. Es wäre auch nur für ein oder zwei Stunden. Wenn der König und seine Ritter hierher unterwegs sind,
Weitere Kostenlose Bücher