Drachenritter 02 - Der Drachenritter
sie, wenn kein Wunder geschah, in wenigen Stunden mit Hieb- und Stichwaffen aufeinander losgehen würden, um sich gegenseitig umzubringen.
Er erinnerte sich, daß Carolinus gemeint hatte, bei dieser Schlacht dürfe es keinen Gewinner geben, wenn die Dunklen Mächte nicht triumphieren sollten. Jim hatte keine Ahnung – oder zumindest nur eine verschwommene Vorstellung –, wie er das bewerkstelligen sollte. Offenbar verließ sich Carolinus auf ihn; bislang allerdings hatte er kaum weiter gedacht als bis zu dem Punkt, da sie zum falschen Prinzen vordringen und König Jean dazu bringen würden, den wahren Prinzen anzuerkennen.
Seine Gedanken schweiften ab. Er überlegte, wie sie herausfinden sollten, wo der König Stellung bezog, falls er sich für einen anderen Ort entscheiden sollte. Unsichtbar zu sein, war gut und schön, dennoch würde es schwierig sein, mit einem Trupp Männer von dieser Größe unbeschadet an einer Stellung von Kriegern vorbeizureiten, die sich auf die Schlacht vorbereiteten.
Allerdings wäre es auch sehr riskant gewesen, kleinere Gruppen zu bilden. Dann hätte er darauf vertrauen müssen, daß sie bei der Beobachtungsstellung von König Jean wieder zueinander fanden.
Die Rückkehr von Luke Allbye und Wat von Easdale unterbrach seinen Gedankengang. Bei ihnen waren John Chester und Dafydd, die sie offenbar begleitet und dann am Fuße des Baumes, den sie als Ausguck erklommen hatten, ausgeharrt hatten.
»Das wurde allmählich auch Zeit«, sagte Brian, als die beiden Männer auftauchten. »Luke, was habt Ihr zu berichten?«
Luke nahm respektvoll den Helm ab, bevor er antwortete, und Wat – der anstelle der flachen Kappe der Bogenschützen ebenfalls einen Helm trug – tat es ihm nach.
»Sir James, Mylord«, antwortete Luke, »beide Armeen haben ihren Aufmarsch so gut wie abgeschlossen. Die Franzosen sind erwartungsgemäß in drei hintereinander aufgestellte Abteilungen gegliedert, deren hinterste Linie fast an die Zelte der Edelleute grenzt. Soweit ich es erkennen konnte, bilden die Engländer eine einzelne Linie in diagonaler Formation, wie damals bei Crecy und Poitiers. Die Bewaffneten sind frontal aufgereiht, die Bogenschützen stehen dichtgedrängt in zwei nach vorn weisenden Linien an beiden Enden der Schlachtreihe. Diese Linien sind an den vorderen Enden nach innen gebogen, so daß die Schützen vorbeischießen können.«
Er hatte die ersten Beobachtungen hervorgesprudelt, ohne Atem zu holen, und hielt nun inne, um Luft zu schöpfen.
»Sir Brian, Mylord«, fuhr er fort, »ich schätze, daß die Engländer sechstausend Bewaffnete haben, etwa ein Drittel dessen, was die Franzosen mit ihren drei Linien aufbieten. Die Franzosen haben auch Genueser Bogenschützen vor der ersten Linie der Bewaffneten aufgestellt, und zwar ein wenig vorgerückt, damit sie gegenseitig über ihre Köpfe hinwegschießen können. Ich schätze, daß es dreitausend Bogenschützen sind. Die Engländer scheinen zwischen vier- und sechstausend Bogenschützen zu haben, und nicht bloß zweitausend, wie es ursprünglich hieß.«
»Ich danke Euch, Luke«, sagte Sir Brian. Er blickte zu Jim. »Habt Ihr noch irgendwelche Fragen, James?«
Jim schüttelte den Kopf.
»Und Ihr…« Brian blickte zu Wat von Easdale, dem Bogenschützen. »Habt Ihr Lukes Bericht noch irgend etwas hinzuzufügen?«
»Nur, daß es nicht sechstausend Bogenschützen sind, sondern bestenfalls zweitausend«, antwortete Wat trocken.
Nicht nur Brian und Jim, sondern auch die anderen lauschenden Ritter starrten den Bogenschützen an, der die Musterung mit unerschütterlicher Ruhe über sich ergehen ließ.
»Woher wollt Ihr das wissen?« fragte Brian. »Die Schützen waren sicherlich zu weit weg, um Einzelheiten zu erkennen, und ich weiß, daß Luke Zahlen gut schätzen kann.«
»Es wundert mich nicht«, meinte Wat von Easdale gelassen, »daß Luke den Eindruck hatte, die Enden der diagonalen Formation umfaßten sechstausend Schützen in den beiden Linien, die von der Hauptabteilung der Bewaffneten ausgehen. Doch dabei handelt es sich offenbar um eine Finte unserer Leute, welche die Franzosen täuschen soll. Mindestens zwei Drittel dieser Männer waren nämlich gar keine Bogenschützen, sondern einfache Bewaffnete – oder Köche und Bäcker aus dem Troß, soweit ich das erkennen konnte –, die einen Stab von der Länge eines Bogens in Händen hielten und eine Haltung eingenommen hatten, von der sie wohl glauben, es sei die Haltung eines
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