Drachenritter 02 - Der Drachenritter
seiner durchdringenden blauen Augen wieder auf den Verwalter, der mittlerweile ein wenig geschrumpft zu sein schien.
»Nun, mein Lieber«, sagte Sir Brian, »Ihr habt gewiß schon gehört, wie es um England und somit um Euren Lord bestellt ist. Euer Lord wird eine Streitmacht aufstellen müssen, ein Aufgebot, das den Anforderungen an sein Lehen gerecht wird. Dazu bedarf es marsch- und kampffähiger Männer. Männer, die in das genannte Alter fallen, wenngleich eigentlich niemand zu alt oder zu jung ist, wenn er denn nur fähig ist. Und daher werdet Ihr binnen zwei Stunden einhundertzwanzig Männer aufbieten.«
»Brian…«, meinte Jim unsicher, »wenn es aber nur achtunddreißig gibt…«
»Ich glaube, Meister Steward hat sich geirrt, was die Zahl der auf Eurer Besitzung verfügbaren Männer angeht, James. Ein Irrtum, den er jetzt bestimmt einsieht, zumal er mit seinem Hals dafür wird geradestehen müssen, wenn es ihm nicht gelingt, genug Männer bereitzustellen. Nun, Meister Steward? Wollt Ihr Euch nicht noch einmal überlegen, wie viele Männer verfügbar sind? Wir wollen gesunde, kräftige Männer, tatkräftige Männer mit Puste und Ausdauer. Sir James will keine Jammerlappen und Nörgler dabeihaben, beim heiligen Dunstan! Die üben einen ungünstigen Einfluß auf die anderen aus. So! Ihr werdet veranlassen, daß sich diese Männer binnen einer Stunde auf dem Hof einfinden, damit Euer Lord und ich sie uns anschauen können; wir haben es nämlich eilig. Ihr dürft Euch entfernen.«
»Aber… aber… aber…« John Steward wandte sich flehentlich an Jim. »Mylord, ist das wirklich in Eurem Sinn? Was der gute Herr Ritter da verlangt, ist… Nun, es ist einfach unmöglich. Selbst wenn wir diese einhundertzwanzig Männer hätten, so würde doch jeder einzelne von ihnen hier gebraucht und wäre in der Burg oder auf den Feldern unabkömmlich. Die brachliegenden Felder müssen gepflügt werden. An der Burg sind Instandsetzungen auszuführen, die bis zum Frühjahr hinausgeschoben wurden. Zahllose Dinge, für die uns bereits jetzt die Arbeitskräfte fehlen, warten darauf, getan zu werden…«
»James«, fragte Brian, »könnte ich Euch unter vier Augen sprechen?«
»Aber gewiß doch«, antwortete Jim. Er hob die Stimme.
»Ihr alle hier – Ihr auch, John… «Er deutete auf den Verwalter. »Ihr alle verlaßt einstweilen den Saal. Aber bleibt in der Nähe, bis ich Euch wieder hereinrufe.«
Sir Brian schwieg, bis alle den Raum verlassen hatten, dann wandte er sich an Jim. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, meldete sich Angie zu Wort.
»Brian, wart Ihr nicht ein wenig hart mit ihm?« fragte Angie. »John Steward arbeitet für uns, seitdem wir die Burg übernommen haben. Er ist ein guter, ehrlicher Mensch. Wir konnten ihm stets vertrauen, und er hat uns immer nach Kräften geholfen. Wenn er sagt, daß er nur achtunddreißig Männer hat, dann sind es halt nicht mehr.«
»Was Ihr nicht sagt, Mylady«, erwiderte Sir Brian grimmig. »Ich bezweifle keineswegs, daß Ihr völlig recht damit habt. Ein guter Verwalter. Ein braver Mann. Eben darum läßt er sich nicht sofort breitschlagen, sämtliche Männer zu einer notwendigen Aushebung herzugeben. Es ist seine Pflicht, die Burg und die Ländereien zu hegen und zu pflegen; daher muß er versuchen, hart zu bleiben und die besten seiner Leute nach Kräften zu schützen.«
Er wandte sich an Jim.
»Versteht Ihr denn nicht«, sagte er, »daß der Mann bloß mit uns feilscht? Einhundert Männer sind mehr, als wir brauchen. So viele verlangt man nicht von uns. Aber achtunddreißig ist eine lächerliche Zahl. Das ist viel zu wenig. Irgendwo in der Mitte zwischen dieser Zahl und meinen hundertzwanzig werden wir uns am Ende treffen. Das wird eine Weile dauern, und er wird uns nach Kräften Hindernisse in den Weg legen, sowohl im Hinblick auf die Zahl der Männer wie auf deren Wert. Die erste Gruppe, die er uns auf dem Hof präsentieren wird, wird kaum der Mühe wert sein, sie auch nur eine halbe Meile weit mitzuschleppen, geschweige denn, sie nach Frankreich mitzunehmen und in die Schlacht zu führen. Aber am Ende werden wir bekommen, was wir brauchen. Gestattet Ihr mir nun fortzufahren?«
Jim und Angie sahen einander an. Sie lebten schon lange genug in dieser seltsamen Welt, um zu wissen, daß die gewohnten Methoden hier nicht immer weiterhalfen. Außerdem wußten sie, daß auf Brian Verlaß war.
»Nur zu, Brian«, sagte Jim. »So wie damals, als Ihr mich im Gebrauch der Waffen
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