Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
hatte schon das Gefühl, daß irgend etwas nicht stimmt. Ah, und ich hatte mich so gefreut, daß Ihr ebenfalls an dieser Gesellschaft teilnehmen würdet! Ich hätte Gelegenheit gehabt, Euch so viele Dinge zu zeigen; wie man beim Turnier die Lanze hält und wie man andere Waffen benutzt - Euch und auch Giles, aber vor allem Euch, James. Und nun hatten wir bisher keine Zeit dafür. Und so, wie es aussieht, wird sich daran wohl auch nichts mehr ändern.«
An die Stelle des warmen Gefühls, das Jim zuvor durchflutet hatte, traten nun Gewissensbisse.
»Ich weiß, Brian.« Jims plötzliche Gewissensbisse rührten weniger daher, daß er für diese Dinge bisher keine Zeit gehabt hatte; er fühlte sich vielmehr schuldig, weil er bisher stets bemüht gewesen war, diesen Dingen aus dem Weg zu gehen. Er verspürte nicht den Drang, mit Lanzen aufeinander loszupreschen oder sich im Schwertkampf mit anderen Rittern zu erproben.
Die Gewissensbisse verflüchtigten sich, aber dennoch hatte Brians Kummer Jim mit einer gewissen Melancholie erfüllt; von der Behaglichkeit und dem Gefühl der Wärme, die ihn noch vor kurzem erfüllt hatten, war keine Spur mehr.
»Macht Euch keine Sorgen deswegen, Brian«, sagte er. »Ich werde mir schon etwas ausdenken - oder Carolinus wird sich etwas ausdenken. Vielleicht werden sich die Dinge auf die eine oder andere Weise auch von selbst regeln. Das einzige, was mir wirklich zu schaffen macht, ist die Frage, was passieren wird, wenn ich meine Magie verliere oder wenn Angie und ich von hier fort müssen.«
Er seufzte.
»Aber wißt Ihr, Brian«, sagte er, »vielleicht wäre es für alle das beste, wenn wir fort müßten. Selbst nach all diesen Jahren und obwohl unsere Freunde uns stets geholfen haben, habe ich noch immer nicht den Punkt erreicht, an dem ich hierher gehöre. Ich bin in Wirklichkeit kein besonders guter Magier, wie Carolinus sehr häufig bemerkt; und Ihr selbst wißt, daß ich mit keiner der ritterlichen Waffen besonders viel tauge - und das wahrscheinlich auch nie tun werde. Außerdem ...«
Seine nächste Bemerkung konnte er gerade rechtzeitig noch zurückhalten. Er war im Begriff gewesen, Brian einzugestehen, daß er ihn bei ihrer ersten Begegnung belogen hatte; damals hatte Jim behauptet, Baron eines Orts namens Riveroak zu sein, und er hatte Brian in dem Glauben gelassen, er sei bereits ein Ritter.
Aber Brian machte ihm bereits Vorhaltungen.
»...James, Ehr nehmt die kleinen Schwächen, mit denen Ihr behaftet seid, viel zu ernst«, sagte er. »Ihr werdet schon noch lernen, mit Waffen umzugehen -ich werde es Euch lehren, das verspreche ich Euch. Und all die anderen unwichtigen Dinge werden sich schließlich von selbst klären.«
»Aber«, sagte Jim, der nun so tief in Melancholie versunken war, daß er dieses Gefühl beinahe auskostete, »Ihr wißt schließlich selbst, Brian, daß ich kein Engländer bin.«
»Das stimmt!« entgegnete Brian tapfer. »Aber Ihr seid ein kühner Ritter. Ihr habt immer für gute Zwecke gekämpft und den Sieg davongetragen. Alle Herren und Damen sind stolz auf Euch. Ich bin stolz, Euch zu kennen!«
»Stolz!« sagte eine rauhe, verächtliche Stimme aus einer dunklen Ecke des Raums. »Eines der menschlichen Spielzeuge und nicht mehr. Unter all den Dingen, die von Bedeutung sind, ist der Stolz ein Nichts.«
Jim blickte auf. Seine Augen hatten sich jetzt vollends an die Düsternis des Raums jenseits des einzigen Lichtstrahls gewöhnt, und nun sah er endlich, was er schon zuvor hätte sehen sollen. In einem der dunkleren Winkel der fernsten Ecke lag träge hingestreckt Aragh. Jetzt erhob der Wolf sich und trat vor, bis sein großer, wilder Kopf beinahe zwischen den Gesichtern der beiden sitzenden Männer war.
26
»Aragh!« rief Jim.
Er wußte nur allzu gut um Araghs Widerstreben, sich in das Innere eines Gebäudes zu begeben, wenn es sich irgend vermeiden ließ. Es widersprach offensichtlich jeder vernünftigen Wolfsvorsicht, etwas zu betreten, das sich möglicherweise als Falle entpuppen konnte. Eine Höhle oder ein Plätzchen, an dem er sich zusammenrollen und wo kein Feind sich ihm außer von vorne nähern konnte, das war etwas anderes. Aber die Behausungen der Menschen, vor allem ihre Burgen, waren lediglich große Orte, an denen ein Wolf von allen Seiten gleichzeitig angegriffen werden und wo er in einer Flut starker Gerüche den einen vielleicht unbeachtet lassen konnte, der ihn normalerweise davor gewarnt hätte, daß ihm Gefahr
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