Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
auch noch alles andere mitteilen konnte. »Die Drachen wollen hierherkommen, zur Feier des Grafen.«
»Drachen? Hierher?« Brian sah ihn fassungslos an. »So dumm können sie doch nicht sein. Es gibt keinen Edelmann in der Burg, der nicht den Wunsch hegen würde, einen Drachen zu töten, wenn sie hierherkämen. Aber warum wollen sie überhaupt kommen?«
Die Erklärung fiel Jim schwerer, als er gedacht hatte.
»Hm«, sagte er, »wegen der Sache, über die Smrgol am Verhaßten Turm geredet hat - daß Menschen und Drachen einander besser kennenlernen sollten. Das ist der Kern der Angelegenheit. Außerdem hat Secoh so viel mit uns zu tun gehabt und Geschichten über unsere gemeinsamen Erlebnisse erzählt. Vor allem einige der jüngeren Drachen haben es sich angewöhnt, mit einzelnen Menschen zu reden, wenn sie diese in der Abgeschiedenheit antreffen - Köhler in den Wäldern und andere Leute, die man allein anzutreffen pflegt.
Und sie haben eine Geschichte gehört, in der Drachen Jesus Christus, dem heiligen Josef und der heiligen Maria begegnen, als diese auf der Flucht waren. Ich meine, auf der Flucht vor König Herodes, der alle kleinen Kinder töten lassen wollte, um sicherzugehen, daß Christus den Thron nicht für sich fordern würde.«
»Wahrlich!« rief Brian. »Ein böser Plan!«
»Ja«, fuhr Jim fort. »Also, aus irgendeinem Grund halten die Drachen Prinz Edward für Jesus, und sie wissen, daß der Prinz bei der Feier des Grafen zugegen ist. In der Geschichte hat Jesus, wie sie gehört haben, die Drachen gesegnet, und sie glauben, das werde nun bei dem diesjährigen Weihnachtsfest des Grafen ebenfalls geschehen. Daher meinen sie, sie sollten hierherkommen, um sich segnen zu lassen.«
»Eine merkwürdige Geschichte.« Brian bekreuzigte sich.
»Oh, ich glaube, sie haben da einfach allerhand durcheinandergebracht«, meinte Jim. »Die Sache ist jedoch die, daß sie von mir erwarten, daß ich alles Notwendige in die Wege leite, damit sie ohne Gefahr hierherkommen und sich segnen lassen können.«
»Ihr müßt ihnen auf jeden Fall klarmachen, daß sie nicht kommen dürfen!« sagte Brian.
Araghs Kiefer standen offen und gaben den Blick auf seine Zahnreihen frei. Brian jedoch kannte den Wolf lange genug, um dessen lautlose Bekundung von Belustigung zu erkennen. Daher wandte er sich nun an Aragh.
»Und was findet Ihr so Komisches daran?« fuhr er den Wolf an.
»Nur den Gedanken, den Drachen etwas ausreden zu wollen - und die Erwartung, man könne damit Erfolg haben!« sagte Aragh.
»Ich fürchte, er hat recht, Brian«, meinte Jim. »Der Versuch, sie von ihrem Plan abzubringen, würde nichts nützen; außerdem gibt es vernünftige Gründe, die gegen diesen Versuch sprechen. Statt dessen sollte ich mir einen guten Grund ausdenken, warum es besser für sie wäre, nicht herzukommen. Aber bisher ist mir einfach nichts eingefallen. Wenn ich sie doch nur unter irgendwelchen Bedingungen herholen könnte, unter denen jeder glauben würde, daß sie aus irgendeinem Grund einfach zur Szenerie dazugehören - oder besser noch, wenn ich sie zu einem Zeitpunkt herholen könnte, da alle anderen zu beschäftigt sind, um den Drachen ihre Aufmerksamkeit zu schenken ...«
Er hielt abrupt inne.
»Wißt Ihr«, sagte er, »das wäre vielleicht eine Idee. Brian, ich habe da etwas völlig vergessen. Mal sehen, heute haben wir doch den Tag der Unschuldigen Kinder? Morgen ist also der Tag des heiligen Thomas ...«
Er verstummte, da sein Gedächtnis ihn, was die Namen der verschiedenen Heiligen betraf, im Stich ließ. Der Kalender des Mittelalters orientierte sich häufiger an deren Festen als an irgendwelchen Daten.
»Nach dem Tag des heiligen Thomas«, half Brian ihm nun auf die Sprünge, »kommt die Weihnachtsoktave, der nächste Tag ist dann der des heiligen Silvesters - und danach haben wir das Fest der Beschneidung Christi; und dann, ha! Dann liegt wieder ein neues Jahr vor uns ...«
Plötzlich korrigierte er sich jedoch.
»Obwohl dem Gesetz nach das neue Jahr eigentlich erst an Maria Verkündigung, also am 25. März, beginnt. Vergib mir, James. Ich wollte Euch keine Predigt über die einzelnen Tage des Jahres halten.«
»Ihr habt nicht gepredigt. Ich mußte das wissen. Vielen Dank, Brian«, sagte Jim. »Aber an welchem dieser Tage wird das Turnier abgehalten?«
»Nun, um ehrlich zu sein«, meinte Brian, den dieses Thema anscheinend peinlich berührte, »ist es in der Vergangenheit vorgekommen, daß es bei einem Turnier
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