Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
offensichtlich so wenig Zeugen und Aufhebens wie nur möglich.
Also brummte Brian leise vor sich hin. In der Zwischenzeit hatte Jim plötzlich ganz andere Dinge zu bedenken.
Als Angie vorhin nach seiner Hand gegriffen hatte, hatten andere Leute im Zimmer sich unterhalten, so daß er im Schutz des allgemeinen Gemurmeis leise mit ihr hatte sprechen können.
»Was ist los?« hatte er gefragt.
»Ich weiß es nicht«, war ihre geflüsterte Antwort. »Ich mache mir Sorgen. Schließlich haben wir Mnrogar dabei geholfen, so zu tun, als wäre er der Schwarze Ritter.«
Merkwürdigerweise hatte dieser Umstand Jim bis dahin keinerlei Kopfzerbrechen bereitet, aber jetzt mußte er darüber nachdenken. Die einzige weitere Person außer ihnen, die etwas von dem Schwarzen Ritter gewußt hatte, saß mit dem Grafen am Tisch.
»Keine Bange«, hatte Jim dann zu Angie gesagt. »Carolinus ist der einzige, der die Sache zur Sprache bringen könnte, und er wird es nicht tun.«
Aber kann ich mir da wirklich sicher sein? fragte sich Jim.
Angie hatte seine Hand gedrückt, und er nahm an, daß er sie beruhigt hatte. Aber jetzt konnte er nicht umhin, selbst mit einem gewissen Grad an Besorgnis über die gegenwärtige Situation nachzudenken.
Wieder kam ihm zu Bewußtsein, daß er in letzter Zeit manchmal den Eindruck hatte, als sei Carolinus nicht unbedingt aufrichtig, als könne der Meistermagier sein eigenes Spiel spielen und sie alle irgendwie benutzen. Jim zweifelte nicht daran, daß Carolinus ihm und Angie durchaus zugetan war. Aber so wie die Magierschaft auf Carolinus angewiesen war, war auch Carolinus auf die Magierschaft angewiesen. Falls tatsächlich die Gefahr bestand, daß er seinen magischen Status verlieren könnte, würde man dem Meistermagier kaum Vorwurf daraus machen können, wenn er Jim und Angie den Wölfen vorwarf.
Jetzt kam Jim auch der Gedanke, daß in letzter Zeit vielleicht allzu viele Dinge gleichzeitig schiefgegangen waren. Vielleicht steckte hinter den sichtbaren Problemen ein größeres, verborgenes Problem.
Aber wie sollte er es herausfinden, wenn es sich so verhielt? Im Augenblick ging es dem Grafen, der Mnrogar ohnehin nicht leiden konnte, offensichtlich darum, Agatha Falon von jeder Verbindung mit irgendwelchen Trollen freizusprechen. Dennoch gab es starke Beweise dafür, daß sie sehr wohl der maskierte Troll sein konnte, den Mnrogar unter den Gästen gerochen hatte. Merkwürdigerweise war es keinem von ihnen bisher in den Sinn gekommen, daß es sich bei dem maskierten Troll um eine Frau handeln konnte.
In Gedanken suchte Jim hoch immer nach einem Mosaikstein, mit dem alles andere zusammenhing, der allem einen Sinn geben würde. »Machen Sie sich die Mühe, den geheimen Zeugen aufzuspüren, der bisher geschwiegen hat«, hatte Sherlock Holmes gesagt.
Genau in diesem Augenblick wurde Mnrogar hereingeführt, der dem Anschein nach mit hundert Pfund schweren Eisenketten und gefesselt war. Seine Kraft schien diesem Gewicht jedoch gewachsen zu sein. Man hatte den Eindruck, daß er den Ketten kaum mehr Beachtung schenkte, als wären sie aus Hanfseilen statt aus Metall.
Dann sah er wild vom einen zum anderen, und das Glitzern in seinen Augen wurde nur einen Moment lang weicher, als sein Blick kurz auf Agatha verhielt. Aber dann wandte er sich wieder dem Tisch und dem Grafen zu, und die beiden sahen einander mit einer Feindseligkeit an, die alle übrigen im Raum ausschloß.
»Schließt die Tür. Sofort!« befahl der Graf, ohne jemanden Bestimmtes anzusprechen. »Alle, die sich in diesem Raum befinden, wissen mehr über diesen Troll, als daß er bei dem heutigen Turnier vorgegeben hat, ein Ritter zu sein. Alles, was es sonst noch über ihn zu wissen gibt, muß ein Geheimnis bleiben, zum Wohle dieser Grafschaft, zum Wohle des Königreichs, zum Wohle der Christenheit. Deshalb verpflichte ich alle Anwesenden hier zu absolutem Stillschweigen...«
»Verzeiht mir, Herr Graf«, sagte der dürre Priester neben dem Bischof, der sich vorgebeugt hatte, um mit dem Edelmann zu sprechen. »Aber da dies kein Gericht ist, könnt Ihr uns nicht verpflichten...«
»Pst, pst, James!« sagte der Bischof, ohne seinen Kaplan anzusehen - der seinerseits hastig den Kopf zurückzog und kein Wort mehr über diese Sache verlor. Jim sah den Kaplan neugierig an.
Jetzt wollte es ihm scheinen, als unterhielte sich der Kaplan mit dem Bischof in einem Akzent, der sich für ihn stark nach modernem Oxbridge anhörte - diesem speziellen,
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