Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
wie sie einen Arm um seine Taille legte.
»Ihr reitet also zwischen den Bäumen hindurch. Vielleicht kommt Ihr noch rechtzeitig«, meinte Brian. Er selbst drehte sich nach einem der kleinen Zelte um, die von dem großen Zelt weiter entfernt lagen. »Siward!«
»Ich komme, Mylord«, ertönte es, und ein kleiner, flachshaariger Bewaffneter schoß zwischen den Zelten hervor. Hinter sich führte er den gesattelten und gezäumten Blanchard.
Brian lief leichtfüßig auf das Pferd zu und schwang sich in den Sattel. Blanchard erhob sich, als er Brians Hände an den Zügeln spürte, wie ein Tänzer auf die Hinterhufe, drehte sich mit einer halben Pirouette dem Wald zu und galoppierte davon.
Jim wendete das Reitpferd in die andere Richtung des Waldes, und einen Augenblick später befanden er und Angie sich bereits zwischen dichten Bäumen.
So nahe bei der Burg des Grafen hatte man den Waldboden zwischen den größeren Bäumen von Ästen, Zweigen und Dornen befreit. Die Äste waren weggeschafft worden, weil totes Holz auf dem Boden den Leibeigenen und Pächtern als Feuerholz diente.
Daher konnten sie das Reitpferd ziemlich schnell galoppieren lassen. Aber obwohl sie gut vorankamen, zählte Jim die Sekunden, bis sie hinter den Tribünen waren, das Reitpferd festgebunden hatten und sich unter die übrigen Zuschauer mischen konnten.
Sie hatten es jedoch in recht kurzer Zeit geschafft, und als sie auf die vordere Seite der Tribünen kamen, sahen sie gerade noch, daß Mnrogar ebenfalls nahte. Er hatte aufgehört, sein Reittier zu treten, und hielt sich ruhig im Sattel, während das Wildschweinpferd genauso ruhig dahintrabte - was Jim in beiden Fällen ein wenig beängstigend erschien. Ein zweitausend Jahre alter Troll würde einen solchen Zorn, war er einmal entfacht, nicht so leicht vergessen und das Wildschweinpferd wahrscheinlich auch nicht. Aber im Augenblick wirkten beide zwar imposant und bedrohlich, stellten aber keine nach außen hin sichtbare Gefahr dar.
Jim und Angie stiegen die Tribüne hinauf, wo Geronde ihnen immer noch Plätze freihielt. Angie hatte mittlerweile Zeit gehabt, sich von ihrem Gefühlsaufruhr zu erholen und das Gesicht mit einem in Schnee getauchten Tuch abzuwischen. Auf diese Weise gelang es Angie, ihre Gefühle zumindest vor Geronde verborgen zu halten.
Brian war bereits da, als sie ankamen. Er saß auf Gerondes anderer Seite und tauschte einen bedeutungsvollen Blick mit Jim, bevor Angie neben Geronde Platz nahm. Geronde begann augenblicklich zu reden. Sie erzählte Angie, wie das Lanzenbrechen auf der Tribüne aufgenommen worden war. Geronde wußte, so schloß Jim aus diesem Gespräch, daß Angie mit Jim bei Mnrogar gewesen war, denn sie hatte etwas Verschwörerisches an sich und vermied es sorgfältig, Angie zu fragen, wo sie die ganze Zeit gewesen sei.
Es war jedoch nicht das Gespräch der beiden Frauen, das Jim Kopfzerbrechen bereitete, sondern die Frage, was Carolinus mit dem Grafen und dem Bischof besprechen mochte - wenn es tatsächlich der Bischof war, der im Mönchsgewand neben dem Grafen saß. Andererseits war Jim sich dessen ziemlich sicher. Die drei Männer saßen nur ungefähr zehn Fuß von Jim entfernt und eine Sitzreihe niedriger als er.
Man konnte ein ständiges Gemurmel hören. Die Zuschauer sprachen leise, aber unaufhörlich, und überall gab es Kommentare und Spekulationen zu der Frage, wie der Schwarze Ritter sich nun weiter verhalten würde. Als das Wildschweinpferd den Anfang der Tribünen erreichte, erklang beim Grafen, wenn auch verspätet, zweimal das Trompetensignal, das den Troll zur Tribüne bat. Dann hörte man die Stimme eines Herolds dröhnen.
»Ihr dürft Euch nun dem edlen und huldvollen Grafen Sir Somerset nähern und Seiner Königlichen Hoheit, dem Kronprinzen von England. Tretet näher!«
Mnrogar antwortete nicht; während er an der Tribüne vorbeiritt, erstarb das Gemurmel, so daß sich langsam, aber stetig eine Welle des Schweigens durch das Publikum fortpflanzte.
Langsam - weil Mnrogar sein Roß buchstäblich zu einem geringeren Tempo zwang, als es dem Wildschweinpferd bisher recht gewesen war. Während er an den Tribünen vorbeiritt, unterzog er die Zuschauer einer sorgfältigen Musterung.
Wahrscheinlich ging es ihm weniger darum, die Menschen genau anzusehen, als den Troll unter ihnen riechen zu können, überlegte Jim. Hier draußen konnte Mnrogar, der zudem den Wind von der falschen Seite hatte, die Witterung derer, die weiter von ihm entfernt
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